Mittwoch, 20. Mai 2020

Biergartenfastenbrechen auf dem Adlersberg

Erst wenn du wieder auf deinen eigenen vier Buchstaben auf schmaler Planke im Biergarten sitzt, einem die großartigste Frau der Welt mit einem eiskalten dunklen Bier zuprostet, derweil die Schweinshaxn warm und wohlig nach Heimat duftend ihrem Verschwinden harrt, wirst dir am tiefsten Grunde deines Herzens gewahr, was dir während dieser beschissenen Corona-Wochen gefehlt hat ...

Biergartenfasten, zumal von Vater Staat erzwungenes, kann, einem Baiern auferlegt, bei fortgesetzter Dauer zu Renitenz führen. Die Geduld freiheitsliebender Menschen hat, nachdem sich das Corona-Virus in unseren Breiten als nicht annähernd so todbringend entpuppt hat, wie von Berufspessimisten und Alarmisten vorhergesagt, ihre Grenze längst erreicht.
von Robert Bock


Zahlreiche faktische oder anstehende Gerichtsentscheidungen haben Vater Staat gezwungen das Lockdown-Regime zu lockern - nicht der Großmut von Herrn Söder oder Mutti. Faktisch hatte beispielsweise der mutwillige Versuch das Gastgewerbe zu ruinieren, um das Leben von Menschen zu retten, deren Alter entweder jenseits  der statistischen Lebenserwartung liegt oder deren Zustand durch ungesunden Lebenstil sehr oft, nicht immer, Folge eigenen Verschuldens ist (Übergewicht, Bewegungsmangel, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck,...) keinen empirisch messbaren Effekt auf die Verbreitungsrate des Virus. 

Die Reproduktionszahl lag bereits zu Beginn der "Ausgangsbeschränkungen" um und unter dem kritischen Wert 1 und sie verharrt dort locker und geschmeidig auch nach mehrwöchiger Lockerung der Freiheitsberaubungsmaßnahmen. Der Grund des im Februar/März steil ansteigenden R-Wertes ist beinahe ausschließlich in einer massiven Ausweitung der Testaktivität zu suchen. Diese Hypothese ist mittlerweile auch durch Forschungsarbeiten an der Uni Regensburg erhärtet.

Sei es wie es sei: Nun haben seit 18.05.2020 wenigstens die Freisitze gastronomischer Betriebe wieder geöffnet. Unter strengen Auflagen versteht sich; teils fragwürdigen, wenn ich die Meinung von Gastronomen höre, die mit halbwegs heiler Haut und viel Fleiß, Kreativität und Unternehmergeist die ihnen aufgezwungene Krise bis hierher überstanden haben.

Ich gebe zu, ich habe nicht alle Regeln, die ein Gastwirt kennen und beherzigen sollte/muss, verinnerlicht, aber habe sie wenigstens überflogen (hier zum Download). Über die jeweilige Sinnhaftigkeit dieser Regeln im Detail sollen sich die Hygiene-Experten streiten. Jetzt gelten sie mit Gesetzescharakter und es steht niemandem zu, sich über Gesetze hinwegzusetzen, nur weil sie ihm nicht gefallen.

Mein Besuch des Prösslbräu auf dem Adlersberg hinterließ bei mir den Eindruck, dass dieser Betrieb mit seiner laxen Interpretation der Umsetzung der Corona-Regeln am 19. Mai 2020 gewaltigen Ärger auf sich gezogen hätte, hätten die zuständigen Behörden hier an diesem Tage während meiner Anwesenheit kontrolliert. Meine persönlich so wahrgenommene, subjektive Beobachtung, die meine Begleitung ohne weiteres Punkt für Punkt bestätigen kann:
  • Zugangsbegrenzungen an den Eingängen, wie sie die Regeln erfordern? Fehlanzeige.
  • Ein einzelnes, an einen baum getackertes handgeschriebenes Plakat, das den Gast bittet, Mundschutz zu tragen und die Abstandsregeln (hier nicht näher definiert) einzuhalten, reicht nicht. Weit umfangreicher schreiben die Spielregeln die Informationspflichten via Aushang am Eingang vor.
  • 1,5 Meter Abstand zwischen den den Tischen? Die Tische stehen meinem Eindruck nach in etwa wie sie immer standen. Rücken an Rücken sitzend spürt man an den schweren Tischen an der Hauswand beinahe des fremden Gastes Körperwärme.
  • "Gäste müssen an Tischen platziert werden", sagt der Wortlaut der Regeln -  im Prösslbräu plazierte sich am 19.05.2020 der Gast höchstselbst.
  • Erfassung der persönlichen Daten wenigstens einer Person am Tisch, um eine Nachverfolgung von Infektionsketten zu ermöglichen? Fehlanzeige im Prössl-Biergarten: Ein frei fließendes Kommen und Gehen, als wäre Corona nie geschehen.
  • "Der haptische Kontakt der Gäste zu Bedarfsgegenständen (Speisekarte, Menagen, Tabletts, Servietten...) wird auf das Notwendige beschränkt oder so gestaltet, dass nach jeder Benutzung eine Reinigung / Auswechslung erfolgt" - Im Prösslbräu kursieren an diesem Abend die immergleichen Speisekarten aus dem Laserdrucker und werden von der Bedienung von Tisch zu Tisch oder durch die Gäste selbst ohne Unterbindung durch den Service weitergereicht. Keinerlei Reinigung oder Desinfektion der Speisekarten, der Tische beim Gastwechsel schon gar nicht, weil eben auch nicht platziert wurde.


Der Großteil der Gäste verhielt sich meiner unmaßgeblichen Beobachtung nach an diesem Abend vernünftig. Nicht alle jedoch betraten den Biergarten mit Mundschutz oder legten diesen an, wenn sie sich am Ausschank ein Bier holten und das WC aufsuchten. Keinerlei Erinnerung/Zurechtweisung solcher Idioten durch das Personal habe ich persönlich beobachtet, allenfalls durch andere Gäste.

Interessanterweise waren es nicht die jungen Gäste, die mir diesbezüglich persönlich negativ auffielen, sondern die alten. Weshalb und für wen fahren wir eigentlich unsere Volkswirtschaft an die Wand, frage ich mich, wenn gerade Teile der schutzbedürftigen Bevölkerung sich einen - Entschuldigung! - Scheißdreck um die Regeln schert, die sie beschützen sollen?



Zum gastronomisch-kulinarischen Eindruck meines ersten Biergartenbesuchs der Saison:

Der Service war trotz mittelmäßiger Besetzung des Biergartens völlig überfordert und vor allem unkoordiniert. Wenn eine Bedienung stets nur einen einzigen Beilagensalat tragen kann, ihren Blick um keinen Preis der Welt zu heben bereit ist, um Handzeichen der Gäste gewahr zu werden, wenn sie auf dem Rückweg unwillig ist, Bestellungen aufzunehmen und so Tisch für Tisch die Gäste kurz davor sind, frustriert in die Tischkante zu beissen, dann sollte die Dame sich bittschön einen anderen Job suchen.

Das Prössl-Bier ist Weltklasse, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Eine "Herrenhandtasche" für Daheim mitzunehmen, beinahe Pflicht.

Der Schweinshaxn (butterzartes Fleisch, rösche Kruste) und die Soße sind hervorragend, die Knödel Industrieware. Dafür gibts von mir stets Abzüge und ich lasse keinerlei faule Ausreden gelten. In Oberfranken käme kein Gastronom auf die Idee, seinen Gästen so einen Mist vorzusetzen - und die würden sich so etwas auch nicht gefallen lassen.

Der Beilagensalat leidet nicht an der schönen,bunten Vielfalt des frischen Gemüses, sondern an einem Convenience-Dressing der übelsten Machart. Wie inkompetent und ohne Kochehre muss ein Küchenchef sein, der auf glutamatverseuchten Mist aus der Metro zurückgreift, weil er keine Lust hat, aus anständigem Öl, einem genießbaren Rotweinessig, Salz, einer Prise Zucker und scharfem Senf ein schlichtes aber schmackhaftes, ehrliches Dressing anzurühren, dieses in geeignete Großbehältnisse abzufüllen und sukzessive zu verbrauchen? Zeitmangel kann es nicht sein, denn mehr als 10 Minuten täglich kostet dieser Akt der Wertschätzung des Gastes nicht.

Auch wenn ich, wie meinen Zeilen unschwer zu entnehmen ist, die Lockdown-Politik in ihrer Gesamtheit sehr kritisch sehe - wenn Spielregeln erlassen sind, dann hat sich jeder an diese zu halten. Punkt.  

Falls der Prösslbräu nicht schleunigst seine Praxis den Regeln anpasst, wird es hoffentlich nur eine Frage weniger Tage sein, bis behördlicherseits für Ordnung gesorgt wird.

Womöglich trägt auch dieser Artikel zu einer unverzüglichen Anpassung der Praxis an die Gesetzeslage bei, bevor es für den Betrieb ernst wird. Das würde mich freuen. Die Geldbußen auf Missachtung der Regeln sind schließlich nicht ohne - dafür könnte man für den Rest der Saison anständige Knödel und Dressing in rauen Mengen fabrizieren ... Die Gäste würden es danken.

Fazit: Im Interesse der Gesundheit des Gastes versuchen derzeit viele, ich behaupte: die weit überwiegende Mehrheit nach wie vor ums Überleben kämpfender Gastronomiebetriebe, die ihnen auferlegten Spielregeln minutiös umzusetzen. Diese Betriebe verdienen meiner Meinung nach zahlreiche Gäste und eine maximale Auslastung ihrer Tische.

Wer sich nicht an die Regeln hält und darauf hofft, dass er nicht kontrolliert oder angezeigt wird, schmarotzt auf Kosten der sauber arbeitenden Betriebe, weil er Kosten spart, gefährdet womöglich die Gesundheit der Allgemeinheit und liefert jenen Scharfmachern, die die Lockerung des Lockdowns kritisieren, argumentatorische Munition zu einer strengen Praxis zurückzukehren. Das, so meine ich, kann niemand sich wünschen! Wir Gäste sollten uns meiner Meinung nach im eigenen Interesse gut überlegen, ob wir Betriebe unterstützen wollen, die die Spielregeln nicht einhalten.




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