copyright 2015 Robert Bock |
Zahlreiche Gourmets hiesiger Breiten scheinen inzwischen derart frustriert, dass sie sich in ihrer Verzweiflung gar "Essen auf die Hand" hingeben und sich unter freiem Himmel unters gemeine Volk mischen, um neue Reize für den Gaumen zu entdecken: am Straßenrand gar und aus Wagenburgen von "Food-Trucks" auf Möbelhausparkplätzen in Papier gewickelt angereicht ...
Istrien sei, so laß ich neulich irgendwo, eine unentdeckte Perle; aufs Beste geeignet, die vom Einerlei altbekannter Schweinereien aus Frankreich, Österreich, Italien undsoweiter gelangweilten Gaumen unseres Wohlstandsbürgertums, endlich wieder in Verzückung zu versetzen. Angeblich, so hieß es, schlage das Herz eines jeden wahren Gourmets höher, toure er eine Weile durch Istrien. Aber ob dem tatsächlich so ist ...?
von Robert Bock
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Istrien betört durch Naturschönheit und weite Ausblicke, mit verschlafenen mittelalterlichen Städtchen und mondänen Kurorten aus der Sissi-Epoche. Es gibt dort auf engem Raum viel zu entdecken. Zuviel jedenfalls, um alles in nur ein, zwei Wochen stressfrei zu erkunden. Daher unsererseits Anlaß, nach 2013 dieses Jahr erneut dorthin zu reisen, um die Gegenden zu erkunden, für die 2013 die Zeit nicht reichte.
Kulinarische Erkenntnisse unseres Urlaubs vor zwei Jahren klammere ich in diesem Istrien-Special bewußt aus, denn in zwei Jahren kann sich in Gastronomiebetrieben viel zum Positiven oder Negativen ändern: es wäre unfair, aus dem Gedächtnis heraus über längst Vergangenes den Daumen zu heben oder zu senken. Wenn jemand sich fragt, warum waren Madame und er beispielsweise nicht in Poreč, Rovinj, Motovun oder Pula essen, da gibt es doch diese und jene bekannten Lokale ... Wir waren 2015, von einer einzigen Ausnahme am Abend des Anreisetages abgesehen, nicht dort, wo wir bereits 2013 waren.
Geographisch betrachtet ist Istrien die größte Halbinsel an der nördlichen Adria, gelegen zwischen dem Golf von Triest im Westen und der Kvarner Bucht vor Rijeka im Osten, das früher auf den poetisch klingenden Namen Fiume hörte.
Der größte Teil Istriens zählt heute politisch zum Staatsgebiet Kroatiens, ein Teil des Nordens zu Slowenien und ein kleiner Landstrich um die Ortschaft Muggia zu Italien. Das war nicht immer so, denn in Istrien wechselten im Laufe seiner, bis in die Altsteinzeit zurückreichenden Besiedlungsgeschichte häufig Völker und Herrscher. Da nimmt es nicht Wunder, dass die moderne istrische Bevölkerung ein buntes Gemisch aus Kroaten, Italienern und Slowenen darstellt, und - je nach Region - die Straßenschilder und der Schulunterricht zweisprachig sind (Kroatisch und Italienisch oder Slowenisch).
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Trotzdem die Halbinsel gerademal 80 km in der Länge und an der breitesten Stelle etwa 60 km misst, haben sich regionale Differenzierungen und lokale kulinarische Spezialitäten herausgebildet: Die Tartufi in den Bergwälern des Nordens entlang der Mirna etwa, die Labinske Krafe, eine süße Leckerei in der Gegend um Labin, oder das sensationelle Stockfischpüree (Baccalà de la Mamma) in Bačva.
Solche und andere Leckereien entdeckt man nur, wenn man sich ins Auto setzt, die Hochburgen des Massentourismus mit ihrer Mainstreamverköstigung tendenziell meidet und Istrien auf Haupt- und Nebenstraßen mit Muße und Entdeckerlust bereist: Die Städte an den Küsten und im Landeskern, die vom Tourismus weitgehend verschont geblieben sind; die Kleinstädte und Dörfer in denen es oft gerademal eine einzige Kneipe ("Konboba") zu finden gibt, in der man allerdings mit wenigen, aber exzellenten Zutaten im besten Sinnen schlicht zu kochen versteht und die Geschmacksknospen Hosianna singen - zum Beispiel in Kršan, zum Beispiel in Bačva nahe Poreč, zum Beispiel in Hum, der mit drei Einwohnern offiziell kleinsten Stadt der Welt im Nordosten Istriens, gelegen am Fuße des bis zu 1400 Meter hohen Učka-Gebirges, hinter dem sich die prächtige Opatija-Riviera öffnet.
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Wir haben Restaurants kennengelernt, die eher die Bezeichung Konoba verdient hätten und umgekehrt. Wie gesagt: Man sollte den Bezeichnungen am Eingang des Lokals nicht allzu große Bedeutung beimessen. Eher schon den Autos auf dem Parkplatz: Dominieren Fahrzeuge mit Anhängerkupplung, insbesondere solche mit niederländischen Kennzeichen, dann schnell Reißaus: man läuft gerade Gefahr in eine Touristenfalle zu geraten, die das mitteleuropäische All-You-Can-Eat-Publikum als Zielgruppe mit überdimensionierten Grillfleischplatten und Pommes Frites anspricht und mit Masse statt Klasse beim Gast punkten will.
Legendär in dieser Hinsicht - und nicht unser beider Kragenweite - die zahlreichen "Sexy-Ferkel-Konobe" in der istrischen Hauptstadt des Spanferkel-Massakers, einem Weiler namens Flengi zwischen Poreč und Rovinj an der Westküste. Nicht weil wir kein Spanferkel mögen, sondern weil uns die Zusammenrottung goldkettchenbehangener, kettenrauchender Proleten in Badehosen, mit S04-Emblem tätowiertem freien Oberkörper nebst ihrer blondierten Begleitung im Tigerprint-Pareo an den umliegenden Tischen erst die Laune, dann den Appetit verdirbt.
Die Alarmglocken sollten ferner schrillen, wenn vor einem Lokal großformatige Fotografien der angeboteten Speisen platziert sind, Personal die Passanten aktiv anspricht und ins Lokal lotsen will oder mit Touristenmenüs zu Sensationspreisen geworben wird. Solches erlebt man vornehmlich in den Touristenhochburgen an den Küsten, kaum im Landesinneren.
Was bieten in Istrien Gastronomie, Bauernmärkte, direktvermarktende Erzeuger und Spezialitätenläden dem Feinschmecker auf Entdeckungstour? Eine ganze Menge ...
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Wie wäre es mit einer original Istrischen Suppe, eine Spezialität, die aus Wein, geröstetem Brot, abgeschmeckt mit Olivenöl, Zucker und Pfeffer, in einem Tonkrug zubereitet wird? Ich hab diese "Suppe" nicht probiert und werde das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht tun, aber ich kann mir lebhaft vorstellen, dass dies das einzig Geniessbare sein könnte, das man aus dem typischen roten Tischwein fabrizieren kann, der in Istrien serviert wird. Im Ausgangszustand war dieser - egal wo in Istrien man ihn uns serviert hat - rundweg grauenhaft. So grauenhaft, dass er selbst nach dem zweiten Glas nicht besser wurde, man ihn sich also nicht einmal "schöntrinken" konnte ... Möglicherweise - so eine flüchtige Hypothese meinerseits - ist diese Istrische Suppe in grauer Vorzeit auch aus schierer Verzweiflung über den schlimmen Wein heraus entstanden ...?
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Zweimal gerieten wir diesen Sommer in istrischen Konobe gar an Rotweinqualitäten der Kategorie "Schädelspalter" respektive "Chateau Migraine". Woran so etwas auch immer liegen mag - Histamin, Schwefel, handwerklicher Pfusch beim Ausbau ... - angesichts hämmernder Kopfschmerzen noch am gleichen Tag, spendete selbst der durchweg erfreulich niedrige Preis der roten und weißen Tischweine in Istrien keinen Trost. Die Preise bewegten sich in den von uns besuchten Lokalen zwischen 40 und 70 Kuna für den Liter, was 5,30 bis 9,27 EUR entspicht. Trotzdem, gemessen an der Qualität, viel zu teuer; an sich war man uns gegenüber, der kulinarischen Beleidigung und der Kopfschmerzen wegen, schadensersatzpflichtig.
Es tut mir von Herzen leid, dass ich das so deutlich kritisieren muß und wir hätten weiß Gott lieber Lobeshymnen angestimmt, aber dazu gibt es für uns beide keinen Anlaß. Andere Menschen schätzen möglicherweise Weine wie diese, sind vielleicht auch nichts anderes gewohnt oder trinken ansonsten lieber Bier und fragen sich bis heute, was an Wein so sexy sein soll? Und das nur, weil sie Zeit ihres Lebens solch schlimme Weine vorgesetzt bekamen.
Zum Weißwein und damit zum Malvasija Istarska, der in den uns dargebotenen Tisch- bzw. Hausweinqualitäten - oft auch noch geschätzte zehn Grad zu warm, in einem Fall gar auf Umgebungsniveau von etwa 30 Grad temperiert! - mit graduellen Unterschieden zwar, aber trotzdem mehr oder weniger ein Verbrechen an gutem Geschmack und europäischer Weintradition darstellt. Drei Attribute chrarakterisieren unseren subjektiven Eindruck hinreichend: Schlimm, schlimm, schlimm! Essigähnliche Säure, nahezu bar anlehnungsfähiger Frucht, keinerlei Spritzigkeit und Finesse, wuchtiger Alkohol schon in der Nase, vom Eindruck am Gaumen nicht zu reden.
Wie kommt das?
Meine Hypothese: Der istrische Gastwirt hat gehört oder gelesen, vielleicht schließt er es auch aus den Nachfragen seiner überwiegend ausländischen Gäste bei der Bestellung, dass trockener Wein mehrheitlich bevorzugt wird. Daraufhin teilt er seinem Weinlieferanten mit, er möge doch bitte sein halbtrockenes und liebliches Zeug nach Russland verklopfen, wo man pappsüßen Wein zum "Very-Well-Done", also schuhsohlenhart durchgebratenem Fleisch heiß und innig liebt, und er möge ihm stattdessen künftig trockenen Wein liefern.
Der Weinbauer lupft die Augenbrauen, denkt sich als Geschäftsmann, der Kunde ist König und wenn der Kunde trocken will, naja: bekommt er eben trocken ... So läßt nach der nächsten Lese den Wein so lange auf der Hefe liegen, bis der Zucker mehr oder weniger vollständig vergoren, also in Alkohol verwandelt ist. Zucker lagert der Weinstock unter der gleissenden Sonne des Südens reichlich in seine Trauben ein und als sich die Vorlieben für die Aufstockung heute regional verbreiteter Sorten ausbildeten, war Wein in erster Linie ein Nahrungsmittel, das Nahrungsenergie in Form von Zucker haltbar machen sollte, weniger ein Genußmittel, in das in Überflußgesellschaften Weltanschauung und Sinnfragen projiziert werden.
Heute sind wir wohlgenährt und die Frage des Kaloriengehaltes von Lebensmitteln wird eher kritisch gesehen. Heute mag man trockene Weine mit geringem, teils auf Null reduziertem Restzuckergehalt. Nicht überall auf der Welt - jedenfalls aber dort, wo die Menschen überwiegend herkommen, die in Istrien Urlaub machen. Der Wein muß also durchgären und so resultieren je nach Rebsorte trockene, aber enorm alkoholschwere Weine. Gefühlsmäßig ist der Alkoholgehalt zwar nicht zuverlässsig abschätzbar, aber bei zwei von vier Versuchen, dürften meines Erachtens etwa 15% Alkoholgehalt in der Karaffe gewesen sein. Manche Rebsorte enfaltet ihre Stärken aber nunmal eher in halbtrockenen und lieblichen/süßen Ausbauvarianten: Der Malvasija Istarska zählt möglicherweise zu dieser Kategorie und tatsächlich wird anderswo aus Malvasia-Trauben, beispielsweise auf Lanzarote, Madeira und den Liparischen Inseln, hochgeschätzter Süß- bzw. Likörwein produziert.
Alkohollastigkeit ist das eine Problem, hinzu kommt, dass viele Winzer aus wirtschaftlichen Gründen eher an Masse als an Klasse denken. Winzer, die maximale Aromatik aus ihren Trauben holen wollen, müssen wohl oder übel einen großen Teil der jungen Trauben vom Weinstock schneiden ("ausgeizen"), damit die gesamte Kraft und Aromenfülle in den verbleibenden Rest an Trauben schießen kann. "Trauben wegwerfen?", denkt sich da der altmodisch denkende Winzer: "So weit kommts noch ..."
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Deswegen kaufen Madame und ich unsere heimischen Weine weit überwiegend ab Hof und suchen dabei das Gespräch mit den Menschen, die den Wein machen. Nur so lernen wir kontinuierlich dazu und unserer Erfahrung nach freuen sich die Erzeuger ehrlicher, hochqualitativer Lebensmittel, wenn sich ihre Kunden für das, was sie tun, interessieren. Nur eines sollte man beachten: Während der Lese sind Weinbauern in der Regel sehr kurz angebunden, weil dann der Weinberg rund um die Uhr seinen Herren sehen will - ich denke dafür sollte man als Kunde Verständnis haben und seine Einkaufstour in die weniger stressigen Zeiten des Jahres legen.
Die Qualität der Tischweine in Istriens Lokalen ist also massiv verbesserungsfähig. Ob es nötig ist, kann ich nur subjektiv beantworten. Wenn anderen Gästen so ein Gesöff schmeckt, dann sollen sie es trinken. Unser Geschmack ist schließlich niemandes Referenz. In einem von vier Fällen, war der weiße Hauswein sogar halbwegs annehmbar, das will ich nicht verschweigen. Das lag auch an den ausnahmsweise adäquaten Gläsern und kompetenter Temperierung. Wir waren froh und dankbar und ich werde bei Besprechung der betreffenden Konoba im Örtchen Kršan darauf zu sprechen kommen ...
Wikipedia schreibt über die Malvasia-Rebe:
"Malvasia, Malvasier oder Malvoisie sind in südlichen Ländern sehr verbreitete Rebsortenfamilie verschiedener Weiß- und Rotweinsorten, vor allem aus Italien, Spanien, Portugal und Kroatien. Viele dieser Sorten sind antiken griechischen Ursprungs. (...) Der Name der Sortengruppe leitet sich vom Namen der griechischen Stadt Monemvasia auf der Halbinsel Peloponnes ab, die im Mittelalter ein bedeutender Handelsplatz und eine Festung des Byzantinischen Reiches war. Ursprünglich kommt der Malvasia-Wein wohl aus Kleinasien und wurde in der Antike von der Insel Kreta aus in die Welt gebracht, wo auch der weiße Malvasia di Candia heute noch süß ausgebaut wird. Auch trocken wird er (...) ausgebaut. Die Insel Kreta und andere Teile Griechenlands stellen somit die ursprünglichsten und ältesten Sorten (siehe Malagousia). Griechenland ist weitestgehend als Ursprungsland einiger Malvasia-Sorten anerkannt (...)."Auf Basis von DNA-Analysen wurde festgestellt, dass die meisten Malvasia-Varietäten auf die griechische Athiri-Traube zurückgehen, die noch heute auf Rhodos die Basis des Retsina bildet (Quelle). Es spricht unseres persönlichen, unmaßgeblichen Erachtens nach allerdings Bände, dass die Griechen auf Rhodos die genetische Mutter der Malvasia als Grundlage für ihren geharzten Retsina verwenden: Nur mit einer durchdringenden Aromatisierung mittels Kiefernharzes kann aus so einer Plörre ein halbwegs geniessbarer Weißwein werden, wobei ich hiermit explizit nichts zugunsten oder zulasten der griechischen Retsinaweine sagen möchte ... Besser wäre meines Erachtens, man produzierte Essig aus dem uns angebotenen Malvasija Istarska in Tischweinqualität, aber mutete derartigen Wein nicht gustatorisch halbwegs geschulten Gaumen zu.
In Frankreich, in der Champagne, ist man auf andere Art clever im Umgang mit Mittelmaß: Die zugelassenen Grundweine des Champagner sind, so wie sie im dortigen Terroir gedeihen, ausdrucksarm und kaum der Rede wert. Setzt man sie aber auf Hefe und veredelt sie nach dem Champagner-Verfahren, wird eine kulinarische Sensation, eines der festlichsten Getränke der Welt daraus. Nur die Winzer sind beschissen, die sich nicht zu helfen wissen ... Auch in Istrien, beispielsweise in der Nähe von Visnijan, wird Prošek, ein Schaumwein produziert. Ich wollte ihn in einer Konoba probieren, die ihn auf der Karte hatte - es war aber keiner mehr vorrätig. Schade, oder vielleicht auch besser so ...
Cleverness auch im Bordelais: die teuersten Rotweine der Welt sind allesamt nicht reinsortig, sondern man schüttet sie - völlig konform mit dem dortigen Weinrecht - aus verschiedenen, jeder für sich mittelmäßigen Grundweinen so zusammen, dass es am Ende passt. Pardon: Man schüttet sie nicht, man mischt oder panscht sie nicht zusammen, man verschneidet sie. Das Ergebnis nennt man dann Cuvée und der Laie denkt, das wäre etwas Außerordentliches. Wein im Tetrapack für 99 Cent je Liter aus "ausgewählten Anbaugebieten der Europäischen Union", fällt im Regelfall ebenfalls unter Cuvée.
Wir finden, dass diese Verschnitttraditionen eine Gratwanderung hart am Rande zur Pantscherei darstellen und bevorzugen reinsortig ausgebaute Tropfen, die eine klar nachvollziehbare Charakteristik aufweisen. Zumindest sollten die Bestandteile einer Cuvée explizit auf dem Etikett deklariert sein und zwar vollständig - egal, ob das jeweilige Weinrecht dazu verpflichtet oder nicht. Wir sehen das so, andere sehen das - ihnen unbenommen - anders.
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Madame und ich, wir stellten uns nach den erlittenen Tiefschlägen irgendwann die Frage: Warum bloß wird der istrische Malvasia (Malvasija Istarska) so in den Himmel geredet und geschrieben?
Steckt da vor allem Marketing dahinter? Ökonomische Interessen der kroatischen Weinwirtschaft? Betriebsblindheit lokaler Weinexperten? Journalisten der Gourmet-Postillen, die auf diesem Wege Dankeschön sagen, für den netten Urlaub im besten Hotel Rovinjs? Hatten ausgerechnet wir schlicht Pech mit den Hausweinen von vier alteingesessenen Konobe, in denen wir uns eine Karaffe Weißwein kommen ließen und jedes mal ausdrücklich erfragten, welche Rebsorte die Basis des Tröpfchens bilde? Vielleicht wurden wir getäuscht: War gar kein Malvasija Istarska die Grundlage deren weißen Hausweines? An sich undenkbar, schließlich sind Kroaten und Italiener Katholiken und denen ist das Lügen unter Androhung von Fegefeuer untersagt ... Es ließ uns keine Ruhe: Vielleicht lags wirklich nur an den Hausweinen der von uns besuchten Gastronomen ...?
Vielleicht sind Flaschenweine aus dem Handel besser? Wir erstanden in einem Supermarkt in Poreč zunächst eine mittelpreisige Flasche der Rebsorte Malvasija Istarska, kühlten diese im Kühlschrank unserer Ferienwohnung ordentlich herunter, hielten die Nase ins Glas, kosteten je zwei Schlucke und schütteten den Rest der Flasche ohne lange zu diskutieren weg.
Nein, nicht mal dem Nudelwasser sollte ich diese Plörre beigeben, darauf bestand Madame, so unterirdisch, so erbärmlich sauer und substanzlos war diese Ausgeburt an önologischer Inkompetenz der Menschen, die diese Flüssigkeit erst produziert, dann für einen Wein ausgeben haben und schließlich noch so dreist gewesen sind, diese Plörre in etikettierten Flaschen auf den Markt zu werfen.
Madame und ich sahen uns an und verstanden uns wortlos: In einem zivilisierten Land wie Kroatien, das sich als Mitglied der Europäischen Union gemeinsamen kulturellen Werten verpflichtet hat, dürfte man eigentlich für weit geringfügigere Verbrechen am guten Geschmack wie diesem sogenannten Wein im Knast landen.
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Ich sage zu Madame: Hör mal - auf Basis dieser niederschmetternden Erfahrungen will und kann ich doch nicht über den istrischen Renommierwein schlechthin schreiben, oder? Nein, entgegnet Madame - wir sollten fairerweise eine Flasche eines hochgehandelten Weinproduzenten kaufen, schlägt sie vor.
Also zogen wir bei vertrauenswürdigen Einheimischen Erkundigungen ein, erwarben eine Flasche 2014er Malvasija Festigia der über die Grenzen Istriens hinaus angesehenen Kooperative Vina Laguna in Poreč, kühlten sie schulmäßig und verkosteten sie in guten Weißweingläsern ...
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Am ehesten erinnerte uns dieser Wein an einen mittelmäßigen Sauvignon Blanc von der Loire, einen fränkischen Silvaner QbA oder Kabinett oder einen Grünen Veltliner aus dem Weinviertel. Silvaner und Veltliner bekomme ich aber, ohne lange zu suchen, für weniger als die Hälfte des Preises dieses Aushängeschildes istrischer Weinwirtschaft. Wenn das also tatsächlich die Krönung dessen sein sollte, was man aus der Malvasija Istarska herausholen kann, dann brauchen Madame und ich - übereinstimmend urteilend - keine weiteren Erfahrungswerte. Jeder fränkische Silvaner direkt vom Winzer macht uns beiden mehr Spaß.
Weil ich mich schon auf den istrischen Wein eingeschossen habe: In der weit überwiegenden Mehrzahl der Lokale - allesamt keine Gourmettempel, sondern "gut bürgerliche", teils auch gehobene, in einschlägigen Reise- und Gastronomieführern warm empfohlene Betriebe, die wir besuchten - gab es nicht einmal Alternativen in Form ordentlicher und zugleich bezahlbarer Flaschenweine: Auf der Karte nur Hauswein, weiß - ausnahmslos der Sorte Malvasija - oder Hauswein, rot - bis auf eine Ausnahme die genannte Cuvée aus üblicherweise drei Rebsorten, von der nur der Teran regional (nördliche Adria) autochton ist. Cabernet Sauvignon und Merlot sind meiner Meinung nach gnadenlos überschätzte Modeweine, die sich gut vermarkten lassen und in Wingert und Keller als wenig kapriziös gelten. Möglicherweise auch, weil sie in den Chateaus des Bordelais zum Verschneiden herhalten dürfen und die Sex-and-the-City-Mädels so leidenschaftlich gerne an ihrem Merlot nippen, derweil sie auf einer Vernissage herumstehen und den vornehmlich weiblichen Voyeuren, die in ausgebeulten Jogginghosen zuhause vor der Glotze sitzen, ihr turbulentes Geschlechtsleben verbalisieren. Pinot Noir (Spätburgunder) war nach Auskunft des Servicepersonals in manchen roten Tischweinen statt des Merlot ebenfalls Teil der Cuvées. Diese Rebsorte kann nach meinem Dafürhalten in diesem Klima und Terroir nie und nimmer erste Qualitäten hervorbringen, mehr als ihn mit Teran und Cabernet zu verschneiden bleibt außer der Entsorgung möglicherweise nicht übrig. Eine Schnapsidee nach meinem Dafürhalten, sie in Istrien überhaupt aufzustocken ...
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Die Flaschenweine, die wir in Kroatien (Istrien und Dalamatien) bislang kennenlernten, waren - selbst von renommierten Spitzenwinzern - völlig abwegig hoch bepreiste Tröpfchen von einer Qualität, die man im internationalen Maßstab nur mit Wohlwollen als Mittelmaß bezeichnen kann. Viele Discounterweine aus Spanien oder Italien für 4,99 EUR machen drei Hintern voll mehr Spaß, als die ausdruckslosen und austauschbaren kroatischen ersten Gewächse aus Istrien oder der Gegend um Dubrovnic (Konovale), in der wir vorigen Sommer vier in Kroatien hochgepriesene Weingüter und deren Produkte ausgiebig kennenlernen durften. Freilich wird nicht nur in Istrien und um Dubrovnic herum Wein angebaut, und ich urteile auf Basis einer sehr, sehr kleinen Stichprobe, aber bei allem Lokalpatriotismus und Vaterlandsliebe, liebe Kroaten: Ein wenig mehr Demut und Blick über die Gipfelgrade der heimischen Weinberge täte der kroatischen Weinwirtschaft gut, denn wer sich selbst mit Vorschußlorbeeren feiert, provoziert enttäuschte Kunden. Vor allem, wenn die Preise ab Hof schon derart hoch angesetzt sind, dass man sich angesichts des Einkommensdurchschnitts in Kroatien fragt, womit man diese rechtfertigt? Das riecht nach Abzocke weinunerfahrener Touristen und Etikettentrinkern, die nach Parker-Punkten urteilen, statt nach eigener Nase, Zunge und Gaumen. Die oft kitischigen, ja unserer Ansicht nach geschmacklosen Aufmachungen der Flaschen und Etiketten, sprechen eine diese These stützende Sprache.
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Es ist keine große Herausforderung - beispielsweise aus Griechenland - vergleichbar hochqualitative Öle zu deutlich niedrigeren Preisen vor der Haustür in Deutschland zu kaufen - so zum Beispiel das mittlerweile auch von prominenten Sterneköchen verwendete und zurecht hochgelobte Öl meiner Freundin Spyridoula . Und kaufe ich in Griechenland im Urlaub vor Ort ab Hof, bezahle ich für vergleichbare Qualität kaum einmal die Hälfte des Preises, den die Istrier aufrufen. Warum ist das so? Wird da bewußt mit Preis-Qualitäts-Ausstrahlungseffekten oder gar mit Snob-Effekten operiert? Setzt man darauf, dass den Urlaubern das Geld in der "schönsten Zeit des Jahres" locker sitzt ...?
Ich bleibe dabei: sensorisch und geschmacklich produziert man in Istrien ausgezeichnetes Öl - die Laborwerte kenne ich nicht. Aber es ist meines Erachtens unangemessen hoch im Preis. So wird das schwierig, liebe Kroaten: Ihr seid beleibe nicht die einzige Region im Mittelmeerraum, die es versteht, Spitzenöle herzustellen ...
Der hochgelobte Rohschinken, der Pršut, steht allerorten und unvermeidlich auf den Speisekarten, ist durchaus saftig und aromatisch, gelegentlich übersalzen - aber auch nicht besser als ein ordentlicher Parma, Serrano - oder San Daniele. Des Rohschinkens wegen muss unserer Meinung nach niemand nach Istrien fahren.
Der Sir - gereifter, harter Schafs- oder Kuhmilchkäse nach Art eines Peccorino, jungen Parmesan oder griechischen Graviera - verbreitet lediglich Deja Vu's aber leider keinerlei Außerordentlichkeit, die es wert wäre mehr darüber zu schreiben oder extra deswegen hinzufahren.
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Wer Trüffelgerichte auf - für istrische Verhältnisse - allerhöchstem Niveau probieren möchte und einen entsprechend dicken Geldbeutel hat, kann auf eigene Gefahr einen Besuch des Restaurant-Pension & Enoteka Zigante Tartufi im Örtchen Livade, nahe Motovun erwägen. Wir waren selbst nicht dort essen, haben aber nur Gutes gehört. Ich mag Trüffel, aber nicht um jeden Preis - Madame konnte ihnen bislang nicht viel abgewinnen, lernte sie in diesem Sommer aber zu schätzen. Wie es dazu kam? Darüber mehr demnächst in der Fortsetzung dieses Istrien-Specials.
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