Donnerstag, 13. August 2015

Südtirol-Special, Teil 1: Über den Reschenpass ins Meraner Land

copyright 2015 Robert Bock
Madame und ich lieben Südtirol. Kaum öffnet sich der Blick hinter dem Reschensee auf das in der Sonne glitzernde ewige Eis des Ortlermassivs, wird die Luft so zart und duftig, Licht und Schatten so scharf voneinander abgegrenzt - man spürt sofort, hier liegt ein Land, das von den Göttern bevorzugt wurde.

Schwingt man gemütlich die weiten Serpentinen Richtung Mals und Schluderns hinab, beschreibt der Vinschgau eine Linkskurve und der Blick wendet sich gen Osten. Apfelbäume so weit das Auge reicht - und es wird klar, warum schon droben auf dem Reschen die Händler allerorten dreierlei Dinge anpreisen: Speck - Wein - Obst. - "Finde den Fehler", fordere ich Madame auf und wie aus der Pistole geschossen entgegnet sie: "Obst". Jawohl - kann uns gestohlen bleiben. Ausnahmsweise nicht, wenn wir Ende September, Anfang Oktober zur Apfelernte dort sind: Ein Golden Delicious frisch vom Baum - man mag es nicht für möglich halten, dass ein Apfel so formidabel schmecken kann ...

Wir beschränken uns aber lieber auf Speck, Wein und ergänzen situativ um allerlei Spezialitäten für die die Südtiroler Küche zurecht berühmt ist: Schlutzkrapfen, Kasnocken, Knödel in verschiedensten Variationen, Vinschgerl, Schüttelbrot und Berg-/Graukas von Ziege, Schaf und Kuh. Schöpsernes (Braten vom Schaf/Hammel), frische Buttermilch auf einer Almhütte, Kaiserschmarrn, Gröstl mit Lamm und Röstkartoffeln ... Hab ich Apfelstrudel vergessen? Marillenstrudel? Topfenstrudel - wie konnte das passieren? Nicht zu vergessen: Die Einflüsse der italienischen Küche, die sich inzwischen sehr interessant mit dem tirolerischen Essverständnis verknüpfen. Man findet in Südtirol tatsächlich italienische Restaurants und sogar Pizzerien, die sich nirgendwo in Italien verstecken müssen ... Eines dieser Exemplare will ich in meinem dreiteiligen Südtirol-Special, das nahtlos in ein Istrien-Special übergehen wird, unter anderem vorstellen, das diese Kluft zu meistern weiß ...
von Robert Bock


Aber der Reihe nach: Wer Südtirol mag, mag in der Regel eine Region besonders gerne. In unserem Fall ist das das Meraner Land. Man kann es sicherlich schneller erreichen, als wir dies tun, aber bei weitem nicht so schön: Wir meiden die Brennerautobahn und fahren entweder über den Fernpass hinter Garmisch nach Imst, Landeck und den Reschen gänzlich mautfrei via Vinschgau nach Meran, oder queren im Sommer die Ötztaler Alpen über das Timmelsjoch und gondeln mit atemberaubender Aussicht hinunter ins Passeiertal gen Meran.

Diesmal also über den Reschen ... und die kurze Kaffeepause in der Garmischer Bäckerei von Stefan Nuß  in der Losiachstraße 112, die ausgesprochen leckere Quarkbällchen fabriziert und einen Cappucino mit einem Milchschaum offeriert, der durch Konsistenz meisterhaft geschlagenen Eischnees besticht, hält nicht lange vor. Zumal mein Schokocroissant leider nur ein halbes wurde ... Madame wollte nur einmal abbeissen, und das tat sie überraschend gründlich, denn an sich schmecken ihr Schokocroissants nicht. Jene der Bäckerei Stefan Nuß jedoch schon. So ist das manchmal ... Brot und Semmeln duften um Viertel nach Sechs verführerisch. Den Dialogen aus der Backstube nach, zeichneten ein Schwabe und ein Franke dafür verantwortlich. Und das mitten im Lederhosenland ... Gelungene Integration von Menschen mit Migrationshintergrund auf oberbayerisch, wenn man so will.

copyright 2015 Robert Bock
Im Oberen Vinschgau erwartet den Reisenden, der Muße mitbringt, ein gar bezauberndes, pitoreskes Städtchen: die kleinste Stadt Italiens namens Glurns. Kaum ein Ort in Südtirol, der sich Stadt nennen darf, verströmt noch so unverfälschten alpenländischen Charme südtiroler Prägung, nirgendwo ist der Vinschgau noch so "vinschgauerisch", wie hier. Glurns habe ich erst spät für mich entdeckt; auf indirektem Wege über meine Liebe zum graphischen Werk des Künstlers Paul Flora von dem ich eine kleine Kollektion von handsignierten Drucken mein Eigen nenne. In der Unteren Bachgasse in Regensburg, in der Galerie gegenüber des Orphee, kann man beispielsweise Originale betrachten und erwerben. Paul Flora wurde 1922 in Glurns geboren und der Ort schmückt sich mit einem sehenswerten kleinen Museum zu seinen Ehren, das aufgrund wechselnder Ausstellungen stets aufs Neue einen Besuch wert ist.

copyright 2015 Robert Bock
Heuer galt unser Abstecher kulinarisch dem ersten Kaffeehaus am Platz: Dem Café Riedl in der Malserstraße 11.  Dort serviert man den ausgezeichneten Kaffee des Hauses Meinl aus Wien in den wundervoll ergonomischen Tassen, die ich so liebe. Leider war das Angebot an Konditoreiwaren um kurz vor Neun Uhr vormittags noch sehr übersichtlich. Madame war noch satt von meinem halben Garmischer Croissant, ich entschied mich für eine Nusstorte (2,20 EUR). Die war nicht der Rede wert und wird künftig unsererseits verschmäht. Hätten wir eine Viertelstunde gewartet, wäre der Apfelstrudel ofenfrisch gewesen - Shit happens ...

copyright 2015 Robert Bock
Die Atmosphäre des Café Riedl ist kaffeehausttypisch etwas altbacken, der Service südtirolerisch-professionell freundlich. Man wird hier seit zwei bis drei Generationen gastorientiert-freundlich geboren und erzogen. Man muss oft hierher kommen und dauerhafte Bekanntschaften aufbauen, um aufgesetzte von echter Freundlichkeit scheiden zu können ... Wir waren die einzigen Touristen an diesem frühen Donnerstag und verstanden kaum ein Wort von dem, was Personal und einheimische Gäste wechselten. Empfehlenswert ist im Café Riedl neben den Kaffee-Spezialitäten das hausgemachte Eis. Das hatten wir in der Vergangenheit mit großem Genuß verzehrt - für die Tageszeit, war es uns heute aber zu früh für ein Eis. Es sei denn, als Begleitung zum Apfelstrudel ... Dumm gelaufen, lassen wir das, bevor der Ärger eskaliert. Schließlich ist der Urlaub noch jung.

Was ist die Weiterreise Richtung Meran doch eine Freude ... Herrliche Aussichten, liebliche Täler und schroffe 2000er links und rechts der Straße. Man zuckelt mit 50, höchstens 80 Sachen dahin und weder Vorder- noch Hintermann in der Kolonne Richtung Südosten hat es eiliger als man selbst. Die Sonne lacht zuverlässig vom Himmel; im Vinschgau regnet es sehr, sehr selten. Vergleichbar den Niederschlägen in Sizilien. Die Bauern haben sich aus der Not heraus ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem mit Schmelzwasser von den Gletschern des Ortler und den Ötztaler Alpen erdacht: Die Waale; schmale Kanäle die von den heute zum Wandern benutzten Waalwegen begleitet werden. Man mag es kaum für möglich halten, aber inzwischen gelingt es ausgesuchten Winzern im Unteren Vinschgau sogar ausgezeichnete Weine in diesem schwierigen Terrain zu produzieren.

Wer in Südtirol an einen billigen Rausch denkt, der täuscht sich gewaltig: die Südtiroler Weinbauern wissen, was sie verlangen. Nicht alle wissen allerdings, dass ihre Gegenleistung dem Preis nicht ansatzweise angemessen ist ... Man tut gut daran, Wein hier nicht blind oder nach Etikett zu kaufen, sondern vorab zu verkosten. Die offenen Weine in den einfacheren Gasthöfen sind meist nicht mehr wert, als weggeschüttet zu werden und - wie auch bei uns - obszön überteuert: selbst zum Verkochen zu mies - es tut mir leid, dass mein persönliches Urteil diesbezüglich so ausfallen muss. Man tut gut daran, sich eine Flasche aus einem angemessen sortierten Keller öffnen zu lassen. Ab rund 18-20 EUR ist man je nach Lokal für eine 0,75er-Flasche Gewürztraminer, Chardonnay oder Sauvignon Blanc dabei und wird auch von diesen (in einem Restaurant) billigeren Flaschenweinen selten tief enttäuscht sein. Von den Rotweinen wurde ich in Südtirol bislang stets enttäuscht. Steht "Vernatsch" auf der Flasche, mache ich schnell kehrt und suche das Weite: Es handelt sich um den bei den Württembergern so beliebten Trollinger. Kenner streiten sich bis heute, ob man zu diesem Verbrechen am guten Geschmack überhaupt Wein sagen darf ... aber jeder wie er mag, ich muss das Zeug ja nicht trinken.

copyright 2015 Robert Bock
Eine gute Gelegenheit speziell die raren Weine des Vinschgau zu probieren, ist der Vinschger Bauernladen in Naturns, am Fuße des Schlosses Juval gelegen, in dem Reinhold Messner residiert, wenn er in der Heimat weilt. Auf ihn gehen auch die Idee und Initiative zurück, die Produkte der Bauern des Vinschgau in einem kooperativ betriebenen Laden direkt zu vermarkten. Den erreicht man eine gemütliche Viertelstunde vor Meran linkerhand an der Hauptstraße gelegen. Ein Pflichtstop für uns, um uns mit hiesigen Spezialitäten in superber Qualität einzudecken. Speck, Salami, Kaminwurzen, Algunder Ziegenbutter, Essigspezialitäten, Kräutersalzkompositionen, Spirituosen jeder Art. Obst auch. Ja, auch Obst. Eine kleine Gastronomie ist in dem freundlich-hellen Laden der sich im Halbrund an den schroffen Felsen von Juval schmiegt, ebenfalls integriert. Dort servieren sie einen ausgezeichneten Espresso und hausgemachten Kuchen. Bevor ich es vergesse: Auf der Rückseite des Kurhauses zu Meran findet sich eine Filiale dieses Ladens nach gleichem Konzept - nur nicht beschränkt auf den Vinschgau und seine Direktvermarkter, sondern ganz Südtirol umfassend. Auch dieser Laden ist einen Besuch wert.

copyright 2015 Robert Bock
Aus uns unerfindlichen Gründen hatten wir bislang übersehen, dass es im Vinschger Bauernladen zu Naturns auch eine ordentliche Brotzeit gibt. Pardon: Jause, sagt der Südtiroler dazu, oder auch Marende. Ein gemischtes Jausenbrettl (8,70 EUR) nebst einem Juvaler Glimmer (Weingut Unterortl, Castell Juval) - eine Cuvee aus Müller-Thurgau und Fraueler, orientiert an der Tradition des gemischten Satzes, gewachsen auf Gneis für Madame, und für mich ein Glas Chardonnay - den Südtiroler mag ich, sonst missrät der Wein dieser Rebsorte oft zu einer nichtssagenden Plörre, die nur nach dem Boden schmeckt auf der sie gedieh. Abgesehen davon handelt es sich beim Chardonnay um einen dieser Weine, die von Leuten konsumiert werden, die einen Grauburgunder nicht mögen, weil sie lieber Pinot Grigio trinken, oder gar öffentlich zum Besten geben, dass sie Chardonnay nicht mögen, denn: "Wenn Weißwein, dann nur Chablis ..." Wie bitte? Das klingt so ... snobistisch? Ich steh dazu - und genau deswegen lest ihr meine Kritiken so gerne ...


Ich schweife ab: Die Weine hier im Bauernladen ein Achtel zu je 2,50 EUR. Das Glas tiptop, die Temperierung perfekt: Diese Brotzeit intus und die Südtiroler Sonne strahlt noch goldener von einem noch dunkelblaueren Himmel herab in unsere Herzen. Welch ein Speck, welch ein Käse ... das Südtiroler Brot und die dünn zu Radeln geschnittenen Kaminwurzen: so muss es künftig aussehen für uns, wenn wir in Südtirol ankommen, beschliessen wir und rollen satt und zufrieden vom Parkplatz.

copyright 2015 Robert Bock
Nicht unerwähnt bleiben darf auf ausdrücklichen Wunsch von Madame unser heuer erstes Meraner Wasser vom Vigiljoch, das man allerorten in der Gegend serviert bekommt. Ein extrem mineralarmes Wasser, das gut gekühlt aber schmeckt wie eine Delikatesse. Wir lieben dieses Wasser, bevorzugt "naturale". Vorsicht: es treibt - und zwar wie! Die Meraner legendär "entschlackende" Traubenkur des alten Kurarztes Franz Tappeiner basiert traditionell auf Weintrauben und ebendiesem göttlichen Wasser - und in den Läden vor Ort kann man einen Liter zu 39 Cent erstehen - in Regensburg mit Glück für 1,29 EUR, falls überhaupt. Freunden guten Wassers raten wir, dieses Wasser vor Ort bewußt zu geniessen ... So gut kann ein Mineralwasser sein.
copyright 2015 Robert Bock


copyright 2015 Robert Bock
Nach rund 71 Kilometern erreicht man ab dem Reschen die Töll bei Meran und es öffnet sich das Meraner Becken und bietet einen grandiosen Ausblick auf den Küchelberg, auf dem Dorf und Schloß Tirol thront. Im Hintergrund Schenna. Beiden durch und durch abschreckenden Hochburgen des Massentourismus zu Füßen: die K.u.K.-Kurstadt Meran. Sissi ... Franz ... Ja, Meran hat definitiv einen besonderen Charme. Noch immer, auch wenn seine große, große Zeit schon lange vorbei ist. Statt Sissi in Korsett und Reifröcken und der High Society Wiens, Potsdams und Sankt Petersburgs flanieren heute ostdeutsche Rentner in kieselfarbigen Funktionsjacken und 7/8-Hosen am Kurhaus vorbei auf der Winterpromenade oder überfüllen an den seltenen regnerischen Tagen die Laubengasse. Man muss wissen, wann man Meran besser meidet ... Ich werde einen Teufel tun und verraten, wann Meran eher privater, intimer zu geniessen ist, sonst stolpert mir die werte Leserschaft dort über die Füße, wo ich Ruhe und Erholung suche. Wo man in und um Meran im Rahmen eines Kurztrips gut und preiswert speisen kann, dazu will ich jedoch zumindest zwei Tipps geben. In der Fortsetzung demnächst ...

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