copyright 2015 Robert Bock |
Schöneres wie Meran sei kaum zu denken, schrieb der Schriftsteller Stefan Zweig anno 1910 an seine Freunde in Wien, und wer sich dieser Stadt und ihrer Umgebung wenigstens einmal in seinem Leben mit der nötigen Muße gewidmet hat, versteht aufs Wort, was er und andere Fans, ja "Jünger" dieser Stadt am Zusammenfluß von Etsch und Passer fanden und bis heute finden.
Übernachten würden wir allerdings dort nicht wollen; wie die meisten Urlauber, ziehen wir ein ruhiges Quartier umgeben von Natur dem mondänen K.u.K.- Charme der alten Kurstadt und seinen Grandhotels vor. Alternativen sind derer Legion: Algund, Dorf Tirol, Schenna, Kuens, Riffian ... Im jeweiligen Dorfkern aber leider auch hier: Massentourismus auf Schritt und Tritt. Abseits dessen: Fenster auf, Vogelzwitschern, das Rauschen kristallklaren Gebirgswassers im Ohr, eine große Schöpfkelle voll Aussicht auf Weinberge, Apfelhaine und Berge ins Auge - schon läd der Akku auf, beinah von selbst.
von Robert Bock
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Besonders gut schmeckt Südtirol, trotz schlichter, teils derber Speisen, wenn man sich per pedes den Weg auf die Hüttenbetriebe an den Hängen und Graten der Mutspitze und des Spronsertals, dem Longfallhof, dem Gasthof Hochmut, der Leiteralm, der Bockerhütte und vielen, vielen weiteren bis hinauf zur Oberkaseralm bei den Spronser Seen erkämpft hat. Hunger sei der beste Koch, pflegt der Volksmund zu sagen und meine Großmutter meinte, wenn die Maus voll sei, schmecke das Mehl bitter.
Auch auf den Höhen oberhalb von Schenna, am Hirzer und dem Ifinger, auf den Höhen des Tschögglberges rund um Hafling, auch oberhalb von Marling und Lana auf dem Vigiljoch, kann man schlichte, handwerklich hervorrragend gemachte und schmackhafte Südtiroler Küche geniessen - jedoch auch böse auf die Nase fallen. Man muss eben wissen, welche Hütte wofür bekannt - oder aber berüchtigt ist. Dieses Wissen zu erwerben, kostet nolens volens Lehrgeld ...
Von "Gipfelstürmerlokalen" soll aber nicht die Rede sein, denn heuer dauerte unser Aufenthalt im Meraner Land kaum 48 Stunden und war bloße Zwischenstation auf unserem Weg nach Istrien, die schweren Stiefel und der Rucksack also nicht an Bord.
Zwei handverlesene Tipps für einen Kurztripp ohne alpine Ambition möchten Madame und ich Euch gerne an die Hand geben; zwei in ihrer Art sehr unterschieldiche Lokale die ausgesprochen gute, bodenständige Küche zu fairen Preisen bieten.
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Von Dorf Tirol aus ist das Gasthaus in einer guten Stunde auf einem angenehmen schattigen, wenig anspruchsvollen Spazierweg zu erreichen, oder mit dem Auto in Kuens von der Straße abzweigend, die zum Jaufenpass und zum Timmelsjoch führt.
Das Auto sollte allerdings ausreichend Pferdchen unter der Haube haben, denn die Steigungsprozente weisen stellenweise 20er-Größenordnung auf und Muffensausen wegen Gegegenverkehrs auf kurvigen, steilen, engen Sträßchen, ist der Vorfreude auf kulinarisches Vergnügen tendenziell abträglich. Heimwärts wird das Auto schwerer beladen sein - versprochen - denn die Portionen sind ordentlich; dann kommt es auf gut gewartete Bremsen an ... Zur Zeit der Apfelernte, wenn die Apfelbauern mit hochgestapelten Apfelkisten auf den Anhängern ihrer schmalen Traktoren die Berge rauf- und runterheizen, wie weiland Schumi um den Nürburgring, kann es sein, dass Flachlandtiroler wie unsereins nach Ankunft am Ungericht Hof überzeugt sind, man habe sich jetzt einen Schnaps redlich verdient. Selbiges nach erfolgreicher Abfahrt ...
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Für Beschäftigung von Kindern ist mit einem modernem Spielplatz und einem Streichelzoo gesorgt, die kleinen und großen Fans von historischen Porsche-Traktoren finden ein Dorado ihrer Leidenschaft in Form eines hauseigenen Privatmuseums mit mehr als 30 feuerroten Exemplaren auf dem Ungericht Hof vor. Wir kommen der guten bodenständigen Küche und der atemberaubenden Aussicht auf der Terrasse hinüber nach Schenna und weit hinunter ins weite Tal der Etsch wegen und streicheln für gewöhnlich weder Tiere noch Traktoren - allenfalls den Wein - obwohl Kurt Tucholsky bekanntlich meinte: "Schade, dass man einen Wein nicht streicheln kann."
Heuer waren wir zweimal zum Abendessen dort. Die offenen trockenen Weine des Ungerichthofes sind sämtlich enttäuschend und in dieser Qualität zu teuer. Das Leben ist zu kurz um schlechten Wein zu trinken - weswegen wir beschliessen, von den offenen Weinen Abstand zu nehmen und uns zur Feier des Anreisetages eine Flasche für 19 EUR kommen zu lassen. Madame fährt, und das zierliche Persönchen verträgt rätselhafterweise deutlich mehr als ich ... Die Flasche kam perfekt temperiert nebst Weinkühler und richtig guten Gläsern und wurde am Tisch entkorkt, wie sich das gehört. Dazu bestellten wir das gute Pejo-Mineralwasser vom Stilfser Joch. Offener Wein wird in einer Karaffe an den Tisch geliefert, jedoch leider mit unangemessenen Gläsern die mittelmäßigem Wein noch den letzten Rest geben ...
Unser Flaschenwein: Ein 2014er Gewürztraminer der Winzergenossenschaft Nals-Margreid. Der Ort Tramin, die namensgebende mutmaßliche Heimat dieser alten Rebsorte, liegt nicht weit abseits Merans südlich von Bozen abwärts der Etsch an der Südtiroler Weinstraße, die Rebsorte wird aber allerorten in Südtirol kultiviert. So auch in Nals Margreid, zwischen Meran und Bozen.
Ein Südtiroler Traminer ist mit den deutschen Varietäten kaum zu vergleichen, allenfalls die Elsässer kommen in Wucht und Fülle an sie heran. Allerdings geraten die Traminer aus dem Elsaß gelegentlich etwas träge bis tröge; es mangelt ihnen an Spritzigkeit, Säure und Finesse, die Deutschen, die ich kennengelernt habe, sind oft wuchtig in der Nase und wecken entsprechende Erwartung, dann aber geben sie sich dünn und körperlos im Mund. Da drängt sich doch dem männlichen Teil der weintrinkenden Menschheit unweigerlich als Analogon der Wonderbra auf ...
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In der Nase der sortentypische Duft von Rosen und Honig, an Zunge und Gaumen blumig, kräftig, saftig, reife Honigmelone - und im Abgang ein Anklang an grüne Paprika, als wäre es ein Grüner Veltliner. Keine Überraschung, ist doch der Grüne Veltliner eine natürliche Kreuzung aus Traminer und Sankt-Georgen-Rebe, jedoch selten war mir persönlich diese Verwandschaft so deutlich erfahrbar. Madame und ich beschließen, beim nächsten Südtirolbesuch ins nahe Nals Margreid zu fahren, die dortige Winzergenossenschaft um eine Kiste dieses Tropfens zu erleichtern und verbuchen eine erfreuliche Entdeckung auf der Habenseite.
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Meine Lasagne ist wie immer ein Gedicht. Schulmäßig gemacht mit schönem fleischigen, aber keineswegs zu stückigem, ausgiebig geköcheltem Sugo aus aromatischen Tomaten und Bechamelsauce. Eine satte Menge Parmesan darüber und das Gesamtkunstwerk in einer Portionsgröße, mit der ein Südtiroler Waldarbeiter nach acht Stunden Knochenarbeit am Steilhang hochzufrieden sein dürfte. Höchste Aufmerksamkeit ist jetzt geboten, weil Madame probieren will - der geneigte Leser erinnert sich möglicherweise noch an die Anekdote mit dem Schoko-Croissant in Garmisch ... The gras is always greener on the other side of the fence ...
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Der Beilagensalat ist ausgezeichnet, wie immer im Ungerichthof: sehr fein gehobelter, aromatischer Krautsalat, Karottensalat, Gurkensalat, Radicchio, Tomate und Eisbergsalat. Das Dressing mit rundem Spiel von Säure und Süße. Mit Olivenöl hat man es in Südtirol leider nicht - das hätte dem Salat, statt des neutralen undefinierbaren Pflanzenöls die Krone aufgesetzt. Wozu nimmt Madame eine Handtasche mit, wenn sich darin kein Fläschchen mit Spyridoulas ausgezeichnetem Olivenöl befindet? Madame zeigt Einsicht und gelobt Besserung ...
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Nachtisch? Nachtisch! ... Ich entscheide mich für Apfelstrudel mit Schlagsahne (3 EUR), Madame, weil Saison ist, für Himbeeren mit Vanilleeis (5 EUR):
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Die Himbeeren hätten nach Madames Dafürhalten eine Marinade vertragen. Ein wenig Himbeergeist mit Zucker, ein Schuß Himbeerlikör vielleicht ...? So nackt und schlicht ist der Spaß an diesem Dessert begrenzt und wer will oder kann schon warten, bis das Eis geschmolzen ist? Madame jedenfalls nicht ...
Zum Abschluß - aufs Haus - ein "Aufgesetzter" mit Heidelbeeren. Ein würdiger Abschluß des Abends unseres Anreisetages und der Heimweg führte nur bergab, so dass Madame es bester Laune und gänzlich angstfrei rollen lassen konnte ...
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Der hinter uns liegende Tag in Meran war lang, heiß und anstrengend, wir waren beide zu müde für Experimente und konzentrierten uns aufs Altbewährte. Da wir Mittags bereits in Meran ausgezeichnet gespeist haben (Bericht folgt ...), fällt am zweiten Abend die Bestellung vergleichsweise frugal bis asketisch aus. Keine Sorge, nicht vegetarisch - soviel Zeit muss sein, dass zumindest etwas Speck am Essen ist, sonst ist es kein Essen ... Dabei ist Freitag - und Freitag gibts im Ungericht Hof frische Forellen aus der Passer. Gegrillt, Müllerin oder Blau ... Das klingt schon sehr verlockend, aber unser beider Hunger ist nicht groß genug an diesem Abend. Nach schlichter Hausmannskost stand uns der Sinn:
Flüssig: Wasser vom Stilfser Joch.
Fest: Zweimal Speck-Krautsalat ...
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... und Bratkartoffeln - Sonderwunsch unsererseits, der gerne und anstandslos erfüllt wurde.
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Ein "Aufgesetzter" hinterher ging auch heute wieder aufs Haus und weil wir alte Stammgäste sind, gab uns die Wirtin sogar noch ein Glas hausgemachte Himbeermarmelade zum Abschied mit auf den Weg nach Istrien. Eine schöne Geste, die wir - wie die ausgezeichnete Marmelade - zu schätzen wissen.
Südtirol wäre für uns nicht Südtirol, ohne einen Besuch des Ungericht Hofes. Wir können das Gasthaus uneingeschränkt empfehlen. Der Ungericht Hof hat ganzjährig geöffnet, Montag ist Ruhetag. Näheres auf deren Homepage und Facebook-Seite.
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