Nähert man sich flussabwärts der Volkacher Mainschleife, stößt man am rechten Mainufer aufs Örtchen Obereisenheim.
Wahrscheinlich wäre Obereisenheim ein mainfränkischer Weinbauort von vielen, dürfte man sich nicht hochoffiziell als Heimat des fränkischen Silvaners bezeichnen.
Die ersten Silvaner-Reben wurden 1659 hier und später in Castell gepflanzt:
„Österreicher Fechser“ nannte man die Stecklinge damals.
Besonders einladend wirkt dem Durchreisenden das große, 90 Gästen Platz bietende Terrassendeck des Hotel-Gasthofes "Zum Schiff". Unter schattiger Pergola läßt sich dort wunderbar dem Main und dem Fährmann bei der Arbeit zuschauen und gut-bürgerliche, fränkische Küche genießen. Ihretwegen bin ich heute hier.
von Robert Bock
Wer das fränkische Komikerduo Waltraud und Mariechen kennt, dem prägt sich, hat er erstmal 10 Minuten ihrer flachen Zoten überstanden, unweigerlich die Physiognomie von Volker Heißmann (Mariechen) ein, der wiederum frappierend dem orgienfeiernden Statthalter von Condate, Agrippus Virus, in Asterix bei den Schweizern ähnelt. Der freundliche, stets präsente Servicemitarbeiter in der Lederbuchse, oder ist er gar der Wirt des Gasthofs "Zum Schiff"?, scheint mit beiden verwandt zu sein, fällt mir beim ersten Ansehen in den Sinn.
Es ist ein Tag von wechselhaftem Wetter; zwar ist die Luft warm, doch rupft eine bisweilen steife Brise von Südenwesten her am blühenden Lavendelstöckchen auf unserm Tisch.
Man hat sich Mühe hier gegeben, dem Gast einen eindrücklichen Aufenthalt zu bescheren.
Eine schönere Terrasse am Fluss muss man hier lange suchen und der Blick auf den gemächlich fließenden Main wirkt sehr beruhigend ...
Die Speisekarte liest sich interessant, ist nicht lediglich ein Sammelsurium fränkischer Klassiker, wie man sie allerorten finden würde. Mir sticht, wie meiner Begleiterin, der gebackene Kalbskopf mit Kartoffel-Speck-Salat und Beilagensalat (12,70 Euro) ins Auge. Ausdrücklich warnt die Karte den unerfahrenen Gast vor: Reich an fetten Schwarten sei so ein Kalbskopf lese ich und Mariechen wird bei Aufnahme unserer Bestellung diese Warnung wiederholen. Ob wir je einen Kalbskopf gegessen hätten, tastet er sich fragend voran? Ich verneine, aber füge hinzu, wir würden uns beide gern und unerschrocken aufs Unbekannte einlassen.
Dazu bestellen wir eine Flasche Wasser und einen Bocksbeutel hiesigen Weins: Ein 2015er Riesling Kabinett trocken vom Weingut Reich in Obereisenheim für faire 13,60 Euro. Soweit mich meine Erinnerung nicht trügt, stehen ausschließlich Eisenheimer Weine verschiedener Weingüter zur Wahl.
Das gefällt mir! Welcher Depp käme schon auf die Idee, ausgerechnet hier einen Lugana vom Gardasee oder irgendeine überschätzte Plörre von Spaniens Autobahnbegrünungstreifen zu bestellen, deren Plastikkorken mehr wert ist als der Inhalt? Schrepferismus in Vollendung gliche das! Nein, das darf und muss kein Wirt Mainfrankens unterstützen! Das Spektrum deutscher Weine ist so wundervoll und prall, vor allem das der weißen! Ich ermuntere ausdrücklich zu Erkundungsreisen ...
Der Riesling verschleiert seine Herkunft nicht: Mit prägnanter, rieslingtypischer Säure präsentiert er sich frisch und knackig. Limette und eine kräutrige Note (Estragon?) dominieren, die Aprikosenfrucht ist zunächst noch verhalten, wird sich im Laufe des Abends aber noch deutlich präsenter zeigen. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass uns im "Schiff" der Wein in einem Bocksbeutelkühler und mit guten Weißweingläsern serviert wird. Ein schöner Essensbegleiter, der sich nachgerade ideal mit dem Kalbskopf verbündet, wie sich zeigen wird.
Da kommt der Beilagensalat! Ein großartiger, liebevoll zubereiteter Beilagensalat aus allerfeinsten Zutaten.
Die topfrischen Blattsalate schmecken kräutrig-würzig, die Bauerngurke nicht wässrig, sondern hocharomatisch und auch die Tomate - selbstverständlich wurde der giftige Strunk herausgeschnitten - präsentiert sich in jahreszeitlicher Bestform.
Tüpfelchen auf dem i sind die noch handwarmen, trocken angerösteten Sonnenblumenkerne, doch selbst die werden übertrumpft vom Dressing auf Joghurtbasis.
Schmecken wir Ingwer? Ja! Auch Kardamom und das wie deutlich! Wir werden später nachfragen: Der Ingwer wird uns zugegeben, der Kardamom verschwiegen: Kein guter Koch verrät je sein letztes Geheimnis ... Little India in Unterfranken, sakra, welch ein Genuss!
Leider habe ich selten Grund, einen Beilagensalat - spielt er doch oft nur eine schwache Nebenrolle - so zu loben, aber hier gebührt der Küche höchste Anerkennung. Wenn schon Beilagensalat, dann sollte er auf Augenhöhe mit dem Gericht stehen, dem er beiliegt und dieses keinesfalls, wie oft, herunterziehen.
Der Kalbskopf ist - ich kann und will es keine Stufe tiefer hängen - ein Gedicht! Ein Gaumenschmaus, eine Entdeckung und Offenbarung!
Klar ist das nichts für anorektische Puten, die jede Scheibe Kochschinkens ihres Speckrandes entledigen bevor sie sie missmutig verzehren als führte ihr nächster Gang nicht zur Waage, sondern zum Schafott. So ein Kalbskopf ist eine Angelegenheit, die einem den Mund drei Schichten dick mit Fett auskleidet: wundervolles, gschmackiges Fett, dicht an dicht mit butterzartem, aromatischen Kalbfleisch erster Güte. Die Panade ist mit Kräutern angereichert, hauchdünn und knackig-knusprig. Großes Kino, alle Achtung! Bedauerlich, dass man dieses Gericht nicht öfters auf Speisekarten findet ...
Der Kartoffel-Speck-Salat mit feinen Streifen von Essiggurken steht dem Ensemble in nichts nach. Eine Holzfällerportion, für die man dankbar ist, weil der Salat gar so gut schmeckt. Unterm Strich habe ich lange kein so überzeugendes, handwerklich gelungenes und in sich stimmiges Gericht aus lückenlos hervorragenden Zutaten genießen dürfen. Meine Begleiterin stimmt in ihrem Urteil Punkt für Punkt mit mir überein und beide sind wir froh, dass wir so mutig waren, allen Warnungen zu trotzen.
Schreit das nicht nach einem Nachtisch? Ja, es ist tatsächlich noch Platz! Für feinen Nachtisch immer ... Omas Zwetschgenstreusel soll es sein, dessen Bild diesen Bericht eröffnet hat. Die freundliche Dame, die mittlerweile den Service übernommen hat, fragt uns ob mit oder ohne Sahne. Wenn schon, denn schon, erwidert meine Begleiterin und so soll es denn auch mit Sahne sein.
Wenn so ein Zwetschgenstreusel nach Omas Rezept gebacken ist, kann er doch eigentlich nur wundervoll sein. Er ist es - und wir sind rundum begeistert: Küche, Ambiente, Wein, Service - den Gasthof "Zum Schiff" in Obereisenheim will ich, gemessen an meinen bescheidenen persönlichen Erfahrungen, jedem Frankenreisenden ans Herz legen.
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