Ich greife zu kurz, wenn ich ihn alleine hervorhebe, denn seine Frau und sein gesamtes Team verdienen höchstes Lob für das, was sie im Rahmen der traditionellen "Landgasthofrunde" am 30. Juni 2017 für rund fünfzig Gäste auf die Beine stellten.
Selten geschieht es, dass ich das Fazit eines Restaurantbesuchs vorweg nehme, aber für einen Abend einen Spannungsbogen aufzubauen, an dem am Anfang eine Katastrophe und am Ende ein Happy-End stünde, wäre an den Haaren herbeigezogen ...
von Robert Bock
Motto der kulinarischen Tafelrunde in stilvollem Ambiente: "Griechischer Abend" - Griechische Weine und griechische Premium-Lebensmittel als Grundlage eines 8-gängigen Menüs. 67 EUR pro Person inklusive Weinen, Wasser und Kaffee. Das ist ein Wort!
Wer Werner Faisst und seine Stilistik kennt - und er zelebriert sie mit seiner Frau in seinem Gasthof seit weit mehr als zwanzig Jahren - wundert sich womöglich: Werner Faisst beherrscht Griechisch?!
Ja, er beherrscht es, den Geist, der zwischen den Zeilen von Rezepturen lebt, zu lesen. Dieser offenbart sich nur dem, der mit Talent und wacher Offenheit für neue Einflüsse gesegnet ist und über ein überragendes handwerkliches Können verfügt, sodass das Umsetzen des Fluidums fremdländischer Küchenstile so spielerisch von der Hand zu gehen scheint, als wäre einer von Kindesbeinen auf mit einer ihm an sich fremden Küchenkultur vertraut.
Da Werner Faisst trotz jahrzehntelanger Erfahrung die Lust am Entdecken und Experimentieren nicht verloren hat, hat er für diesen Abend nicht nur essentielle Zutaten für sein Menü, sondern auch Expertenrat einer als Kochkursleiterin und Olivenölproduzentin über die Grenzen der Region hinaus bekannten Griechin eingeholt: von Spyridoula Kagiaoglou.
Gemeinsam haben die beiden an den Gerichten und ihrer Abfolge gearbeitet. Bereits vor zwei Jahren taten sie Vergleichbares gemeinsam anläßlich einer Veranstaltung im Weinkontor Sinzing. Ich selbst war damals nicht dabei, aber immer wieder, so auch heute in Heilinghausen, höre ich die Stimmen der Zeitzeugen, die behaupten, das Moussaka, das Werner und Spyridoula damals zubereitet hätten, sei für sie das beste aller Zeiten gewesen ...
Die Griechin liefert ihm Input für die Zubereitung authentischer griechischer Sommerküche, er saugt ihn auf wie ein Schwamm, verbindet die einem Allgäuer möglicherweise teils exotisch anmutenden Ideen in einem kreativen Prozeß mit persönlicher Erfahrung und dem ihm eigenen Gespür fürs Umsetzbare. Auch die Griechin staunt und sagt zu Beginn des Abends an die Gäste gerichtet, sie habe ungemein von der Zusammenarbeit mit dem Urgestein am Herd profitiert.
An diesem Abend resultieren aus beider Zusammenarbeit Gerichte, die sich in keinstem Augenblick mit dem abgeschmackten Grillplatten-Einerlei hiesiger "Griechen" vergleichen, aber dennoch Gericht für Gericht tief verwurzelten griechischen Einfluß erkennen lassen. Ich kenne in Deutschland nur einen griechischen Koch, der Hellas' Küche in vergleichbarer Form in kulinarische Höhen treibt, wie Werner Faisst an diesem Abend. Seine Herangehensweise an die Küche seiner Heimat hat ihm - als einzigem Griechen außerhalb Hellas - einen Michelin-Stern eingetragen: Joannis Malathounis (Restaurant Malathounis, Kernen-Stetten im Remstal).
Ich will mich nicht dazu versteigen, Werner Faisst und den Sternekoch Joannis Malathounis auf eine Stufe zu stellen - mir geht es um die Frage was modern interpretierte griechische Küche darstellt und was abgeschmackten, banalen Touristenfraß, den kein Grieche in Griechenland freiwillig essen würde, sofern ihm nicht der Hungertod drohte. Von ersterem sei hier die Rede. Für letzteren zeichnen - freundlich geschätzt - 95% unserer in Deutschland ansässigen griechischen Gastronomen verantwortlich. Das Pferd springt nur so hoch es muss - wir Gäste sind selbst schuld, wenn wir uns fortgesetzt kulinarisch beleidigen lassen, indem wir dort einkehren.
Nun aber konkret zum "Griechischen Abend" in Heilighausen, zum Menü und den korrespondierenden Weinen ...
Für die (ausgezeichneten) Weine der Diamantakis Winery, 30 Kilometer südlich von Heraklion auf Kreta gelegen, zeichnet bei Werner Faissts Landgasthofrunden traditionell Rudi Zitzelsberger vom Weinkontor Sinzing verantwortlich. Vier hervorragende Beispiele des mittlerweile außerordentlich hohen Niveaus griechischer Spitzenweingüter hat der Experte zur Speisenfolge ausgewählt.
Zwei Weißweine, ein Rosé und einen wuchtigen Rotwein. Mein glasklarer Favorit dieses Abends: die im neuen Barrique ausgebaute Weißwein-Cuvée aus den Rebsorten Vidiano und Assyrtiko. Ein großartiger, oppulenter trockener Weißwein, dem die vom Holz geliehenen Vanillenoten ungemein harmonisch zu Gesicht stehen. 11,90 EUR kostet die Flasche im Sinzinger Weinkontor. Das ist für einen Weißwein dieser Klasse - man kann es nicht anders ausdrücken - ein Schnäppchen.
Nach dem Aperitif eröffnet Ziegenfrischkäse mit Tappenade von grünen Oliven auf Blattsalaten mit Balsamico-Vinaigrette und gerösteten Weißbrotecken das Menü. Dazu gereicht: Weißbrot und Weißbrot mit schwarzen Oliven. Ein gelungener Einstieg.
Von hervorragender Qualität sind alle Zutaten, charmant würzig-bitter die helle Tappenade und harmonisch in Frucht und Säure das Dressing. Die grüne und die Kalamata-Olive von Spitzenqualität. Sehr schön! Der im Stahltank ausgebaute frisch-spritzige 2016er Malvasia-Chardonnay "Prinos" aus Kreta ist eine kongeniale Begleitung.
Der begleitet auch das folgende Thunfischcarpaccio mit einer Salsa von Salzzitronen und Sommerportulak. Für meinen persönlichen Geschmack hätte man den rohen Thunfisch von exzellenter Qualität einen Hauch dünner aufschneiden dürfen - aber ich muss ja irgendwas zum Nörgeln haben ...
Der Sommerportulak, den ich so bewußt noch nicht genossen habe, ist eine meiner Entdeckungen des Abends. Seine erdig-würzigen Aromen verbinden sich sehr schön mit der süß-sauer-salzigen Zitronensalsa. Die zarten Aromen des Thunfischs tun sich für meinen persönlichen Geschmack etwas schwer, dagegen anzukommen. Trotzdem: Die meisten "Griechen" wären schon froh, wenn ihnen eine derart feine Vorspeise jemals in den Sinn fiele ...
Wachelbrust, Wachtelei auf Avocadocreme an Tomatensalat mit würziger Kresse. Wachteln und Wachteleier spielen in der griechischen Mythologie und Küche - im Gegensatz zur Tomate, die erst vor wenigen hundert Jahren, aus Südamerika stammend, Europas Küchen eroberte - seit jeher eine wichtige Rolle. Perfekt wachsweich - eine Kunst für sich! - ist das Wachelei, zart und saftig die Wachtelbrust.
Die Aromen der bunten Tomaten verbinden und heben sich durch Spyridoula's feinfruchtiges Olivenöl, statt dass dieses sie niederknüppelt. Der bereits erwähnte Weißwein aus dem Barrique vervollkommnet das Geschmackserlebnis dieses Ganges, der nach meinem persönlichen Dafürhalten der internationalste, am wenigsten griechische des Menüs ist.
Oktopus und Garnele in einer Anissoße mit Olivenreis. Obenauf ein Zweiglein Grün vom Bronze-Fenchel.
Was vergleichweise unspektakulär, ja beinahe schlicht klingt, entpuppt sich als mein persönliches Highlight des Abends. Dieses Gericht ist in seiner Schlüssigkeit meines Erachtens nur marginal, falls überhaupt verbesserbar.
Ein paar Tropfen Kaffee-Olivenöl auf die Garnelen geträufelt und Werner Faisst würde seinen fixen Platz auf dem Olymp modern interpretierter griechischer Küche erobert haben. Ich habs probiert, ich theoretisiere nicht ...
Großartig ist Faisst die Verbindung der verschiedenen Aromaten und Texturen gelungen. Diese Anissoße hat das Zeug zu einem Klassiker. Man wünschte sich, dieses Gericht künftig als festen Bestandteil der Speisekarte des Landgasthofs Heilinghausen vorzufinden. Der Barrique-Weißwein aus Kreta - überflüssig zu erwähnen für Weinfreunde mit ein wenig Vorstellungskraft - begleitet diesen Gang hervorragend.
Poularde in Tomaten-Artischocken-Ragout mit Pfifferlingen schreit nach einem Rosé. Ein 2016er Prinos Rose aus Syrah und Mandilari gekeltert, ist Rudi Zitzelsbergers treffende Wahl.
Artischocken sind ein edles Gemüse, das ich vor allem um die Osterzeit herum in Griechenland in derat rauen Mengen und mannigfacher Zubereitunsgart genossen habe, dass ich ihm bisweilen überdrüssig war.
Es mit Tomaten zu verbinden, ist typisch griechisch - es mit Pfifferlingen und Tomaten zu paaren ist gewagt!
Gewagt, gewonnen! Das Zweiglein einer pfeffrig-zitronigen kleinblättrigen Basilikumvarietät verleiht dem Gericht einen überraschenden Pfiff. Generell fällt Werner Faissts glückliche Hand für die Wahl der frischen Kräuter auf, die die Gerichte jeweils unterstützen.
Ein Zwischengang soll Zunge und Gaumen vor dem Hauptgang erfrischen: Ein Sorbet von der frischen Dattel, aromatisiert mit epirotischem Essig-Elixir "isis" aus dem Sortiment von Faissts griechischer Lieferantin.
Griechen lieben Süßes süß. Sehr süß. Aber da ihm dieses Sorbet als Gaumenerfrischer - trotzdem er keinerlei Zucker zugesetzt hat - aufgrund der reinen Süße der frischen Datteln enorm süß geriet und auch das Essig-Elixier mit seiner dezenten Säure und Aromen verschiedener Pfeffersorten, Kardamom und Ingwer einen Tick zu wenig gegenzusteuern vermochte, muss ich diese grundsätzlich gelungene Komposition an dieser Position des Menüs leider als suboptimal bewerten. Werner Faisst räumt nach Abschluß des Menüs selbst ein, dass ein Schuss mehr von Spyridoulas Elixier die Sache wohl besser abgerundet hätte. Ein neues Gericht sei eben stets ein Wagnis. Dem ist nichts hinzuzufügen - oder doch? Nicht als Zwischengang, aber als Bestandteil eines an den Süßspeisentraditionen der Levante orientierten Desserts, wäre dieses Dattelsorbet meines Erachtens eine Bombe!
Die Zunge muss sich erholen von diesem Zuckerschock, bis dass das teils gebratene, teils geschmorte Lamm aus der Keule (Oberschale und Nuss) mit mediterranem Grillgemüse und Rosmarinkartoffel an Oregano-Knoblauch-Sauce serviert wird.
Die Zeit reicht leider nicht, um den hervorragenden kretischen Rotwein (Syrah-Mandilari aus dem Barrique) zur vollen Entfaltung bringen zu lassen.
Ich gönne mir diesen muskulösen Wein gelegentlich auch Zuhause und kenne von daher seine voluminöse Frucht und Würze. Von der ist leider aufgrund des Dattelsorbets zunächst von Frucht nicht viel zu schmecken. Doch das gibt sich gottlob mit den Minuten ...
Dass Werner Faisst wie kaum ein zweiter Koch der Region mit Lamm umzugehen versteht, ist kein Geheimnis. Auch heute stellt er dies unter Beweis. Besser kann man Lamm nicht auf den Punkt garen. Das Knoblauch-Oregano-Sößchen ist ihm rund und ausgewogen geglückt. Chapeau!
Mittlerweile geht die Uhr auf Mitternacht zu. Das Dessert klingt unspektakulär - doch ist es das griechischste aller griechischen Desserts, das ausgelobt ist: Griechischer Joghurt mit Honig und Nüssen. Werner Faisst wäre nicht er selbst, würde er es nicht getuned und gepimpt dem Gaste schicken: Der Joghurt ist zu einer luftig-lockeren Joghurtmousse verarbeitet und harmoniert mit der würzigen Süße hiesigen Honigs und dem Crunch der Nüsse ausgezeichnet. Die anerkennend nickenden Mienen der Gäste, die andächtig schweigend ihr Dessert löffeln, sprechen Bände.
Ich repetiere mein Lob an den Küchenchef, seine Frau Gemahlin und das ganze Team des Landgasthofes Heilinghausen gerne: Der "Griechische Abend" war eine runde Sache und Gang für Gang - Weinbegleitung inbegriffen - inspirierend. Der Service war in außerordentlichem Maße freundlich, schnell und bestens organisiert. Besser kann man das nicht machen. Bravo!
Man wünschte sich, die hiesigen griechischen Gastronomen würfen sich einmal so ins Zeug wie der Allgäuer Werner Faisst. Ich fürchte, selbst wenn sie es versuchten, sie beherrschten es nicht. Weder handwerklich noch haben sie die archidia, wie man in Griechenland sagt, sich Neuem traditionsverhaftet zuzuwenden. Wer kulinarische Beleidigungen wie Gyros mit Metaxasauce für einen großen kulinarischen Wurf hält, wird nie des Odems der Genialität der Küche eines Werner Faisst oder Joannis Malathounis teilhaftig werden. Aber es kann ja nicht nur Häuptlinge geben, insofern reichts für viele auf Lebenszeit halt wenigstens zum Indianer ...
Ich persönlich wünschte mir häufiger griechische Abende in Heilinghausen. Die Gäste des Abends, soweit ich dies vernahm, ebenso. Eingedenk des Gebotenen ist der Preis von 67 EUR pro Person mehr als fair und Anlaß genug, sich einen Besuch künftiger Landgasthofrunden vorzunehmen, unter welchem Motto auch immer sie stehen werden.
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