Wenn über dem Maindreieck allmorgendlich die Sonne aufgeht , dann zuallererst in Schweinfurt.
Am nordlichen Zipfel des östlichen Schenkels des Dreiecks, das sich über den unteren Scheitelpunkt bei Marktbreit und Segnitz bis Gemünden im Nordwesten spannt, bauen Jürgen (rechts im Bild) und Alex Dahms (links) in nunmehr dritter Generation Wein an.
Sie legten Wert auf den Erhalt des natürlichen Charakters, den das jeweilige Terroir den Weinen mit auf den Weg gebe, den schonenden Umgang mit der Pflanze und der Umwelt sowie ein harmonisches Zusammenspiel von Forschung, Technik und Erfahrung, erfahre ich auf der Website des Weingutes. Tradition und Innovation zu verbinden, sei beider Cousins Anspruch. Bio-Weine und auch vegane Produkte finde ich im Sortiment, man geht mit der Zeit ...
Ich gestehe ein, bislang noch nie einen Wein aus Schweinfurt im Glas gehabt zu haben - zumindest nicht bewußt. Desto größer meine Neugier auf die trockene 2016er Müller-Thurgau Spätlese aus der Lage Schweinfurter Peterstirn, mit der sich Alex und Jürgen um den Ehrentitel "Müller-Thurgau-Manic" bewerben.
von Robert Bock
Zunächst gilt eines zu beachten: Es handelt sich um eine Spätlese vom Müller-Thurgau ... Wer sich mit Weinen aus dieser Rebsorte beschäftigt, weiß, dass Spätlesen selten sind und kaum ein Winzer sich getraut, so ein Projekt in Angriff zu nehmen bzw. viele Winter ihrem Müller zu wenig zutrauen, zumindest wenig Alterunspotenzial. Eines einzigen - dessen dafür in zwei Jahrgängen - erinnere ich mich: Der M-Th-Spätlesen des Weingutes Georg Zang in Sommerach.
Jetzt also erneut Franken - Indiz für die Liebe der Winzer dieses Landstrichs für eine Rebsorte, die andernorten leider immer stiefmütterlicher behandelt wird ...? Die Galerie der bisherigen Müller-Thurgau-Maniacs ist mit einer Quote von mittlerweile 8 von 14 ziemlich "frankenlastig". Das spricht Bände ...
Die Schweinfurter Lage Peterstirn blickt auf eine interessante Historie zurück:
"Die Peterstirn, die Burganlage des Markgrafen Berthold aus dem 10. Jahrhundert ist das Wahrzeichen der Stadt Schweinfurt und des Weingutes Dahms. Hier, in der im Familienbesitz befindlichen Burganlage, finden die Weinverkostungen und die jährlichen Weinfeste statt, die eine alte Tradition der Stadt aufgreifen. Von der Burg der Schweinfurter Markgrafen und der späteren Reichsburg auf der Peterstirn wurde das Reichsburgleben der Stadt abgeleitet, dem Schweinfurt rechtlich seinen Aufstieg zur Reichsstadt verdankt. Später wurde ein Teil der Burganlage in ein Kloster umgewandelt, das später an den Deutschen Orden überging.Der Ursprung der heute vorhandenen historischen Anlage geht in das 19. Jahrhundert zurück.Nachdem die Familie Dahms im Jahre 1980/81 das Gelände zunächst nur pachtete, erwarb sie die Anlage 1994 und restaurierte sie. So erstrahlen die Turmzimmer mit ihrer historischen Ausstattung wieder im alten Glanz und die Kanonenrohre im Burghof aus dem Jahre 1782 und 1784 dokumentieren die Wehrhaftigkeit der Schweinfurter Bürgerwehr.
Auf dem Gelände der Burg befindet sich heute auch das Wohnhaus der Familie Jürgen Dahms, das 1999 restauriert wurde. Die Burganlage ist nur im Rahmen von Weinverkostungen zu besichtigen.
Die Burg oberhalb des Mains ist eingebettet in 2,5 ha Weinberge, in denen die klassischen Rebsorten Frankens angebaut werden: Silvaner, Müller-Thurgau, Bacchus, Scheurebe, Traminer und Riesling und als Rotwein die interspezifische Sorte Rondo."
Der Müller-Thurgau sei eine geniale Rebsorte, schreibt mir Alex Dahms. Richtig an- und ausgebaut präsentiere sich der Müller dropsig, leicht
und erfrischend bis hin zu einem schmelzig, cremig, vollmundigen Juwel. Gewachsen sei ihr Müller-Thurgau an ihrem steilsten Stück im Hang der Peterstirn auf Muschelkalkboden. Selektive Handlese nur der goldgelben Beeren, spontan vergoren. Bei ca. 8 g/l Restsüße hätten die wilden Hefen den Geist aufgegeben. Für ihn und Jürgen sei der Wein sensorisch aber einwandfrei.
Um die Cremigkeit im Mittelbau zu verstärken, führt er weiter aus, hätten die beiden sich entschieden, während des Hefelagers den Wein mit einem Batonagelöffel ca. 10 mal vorsichtig aufzurühren. So habe sich mit der Zeit der Alkohol von 13,0 % vol. schön eingebunden.
Grau ist alle Theorie ... Ab mit dir ins Glas, du bocksbeutelgewandeter Müller!
13% Alc. | 8g/L RZ | Klassischer Bocksbeutel mit Schraubverschluss
Im Glas (Spiegelau Authentis Weißweinkelch): Hellgelb, dicht, zähe Kirchenfenster
Nase: Zitrusfrüchte, Ananas, Kräuter, Buchsbaum, Salbei (?)
Zunge&Gaumen: Stachelbeere, Litschi, Golden Kiwi, kandierte Ananas, gebrannte Mandeln, Vanillekipferl | enorm wuchtige Frucht bei stets präsenter Säure, erfrischendes Moussieren, dezente kräutrige Bitternoten, die ich nicht klar zu benennen vermag | cremig, rund, mollig.
Dieser Wein ist mitnichten "fränkisch-trocken", was der Zuckergehalt ja bereits ausweist. Auch die Säure spielt nicht "fränkisch-zubeissend" mit der Frucht, sondern fügt sich sehr charmant, ja elegant ins Gesamtbild, wie man dies für gewöhnlich eher Moselweinen zuschreiben geneigt ist. Wobei, auch an der Mosel gibt es mittlerweile Winzer, die sich durch völlig eigenständige Stilistik von den umliegenden Kollegen abheben - ich denke an Dr. Daniel Molitor und Julia Molitor-Justen, deren Müller-Thurgau-Weine ich in dieser Rubrik bereits vorgestellt habe.
Ich bin beeindruckt. Nie und nimmer hätte ich diesen Müller-Thurgau ohne Vorwissen nach Franken verortet. Liegt es am Schweinfurter Terroir oder an der Handwerkskunst im Keller, dieser Wein wird mir in Erinnerung bleiben und hat meine Neugier auf die anderen Weine der beiden Cousins aus Schweinfurt geweckt.
Herzlichen Glückwunsch an Alex und Jürgen Dahms! Im Gault Millau und im Eichelmann seid ihr bereits vertreten, nun dürft Ihr Euch - und das völlig zurecht - auch als "Müller-Thurgau-Maniacs" bezeichnen.
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