Dienstag, 9. Mai 2017

Besondere Biere (I): Helles Lagerbier "12,5" | Dietl Bräu 2016 | Hunderdorf | Niederbayern

Warum immer nur Wein verkosten und die Eindrücke schriftlich niederlegen?

Weil Biere für gewöhnlich austauschbar, flach und belanglos schmecken? Weil ihr Zweck, im Gegensatz zum Wein, für die gefühlte Mehrheit seiner Konsumenten in erster Linie darin zu bestehen scheint, den Durst zu löschen und in einem Zug einen gepflegten Rausch herbeizuführen ...?

Nein, mittlerweile entdecken viele winzige ("Mikrobrauereien") aber auch mittelgroße Brauereien das Thema "Bier-Genuss" und "Kennerschaft" und beschreiten, zum Beispiel mit exotischen Hopfensorten, Wege fernab der sämtlicher Ecken und Kanten beraubten Biere des Mainstreams der kulinarisch meist recht belanglosen Industriebiere.

Craft Biere füllen die Regale gut sortierter Getränkehändler, man trinkt solche Biere stilecht aus eigens hierfür optimierten Gläsern, die die teils überraschenden Aromen solcher Bier-Unikate in voller Pracht zur Geltung bringen. Bier in dieser Form und mit diesem Anspruch produziert, überzeugt auch mich, den eingefleischten Weinliebhaber, der nur gelegentlich zur Hopfenblütenkaltschale greift ...
von Robert Bock

Deshalb will ich künftig - ergibt sich Gelegenheit - auch bemerkenswerte Biere, bevorzugt von kleinen bis mittelgroßen Brauereien in meinem Blog vorstellen und diese analog einer Weinverkostungsnotiz besprechen. Ich habe eine Schwäche für Menschen, die Lebensmittel mit Liebe und Sordfalt produzieren und in denen die Flamme der Leidenschaft lodert. Ob das nun Bäcker, Winzer, Metzger, Olivenölproduzenten, Käser oder eben Brauer sind, egal. Brauer, die sich angesprochen fühlen, dürfen sich gerne bei mir melden, wenn sie überzeugt sind, dass ihr Bier jenen, der es genießt, mit besonderem Erleben verwöhnt.

Den Anfang macht ein Bier aus dem niederbayerischen Hunderdorf, unweit des weithin bekannten Bogenbergs, dort gelegen, wo der topfebene Gäuboden allmählich in erste sanfte Hügel des Bayerischen Waldes übergeht. Der Bogenberg, der heilige Berg der Niederbayern, spielt zudem eine Rolle in der Geschichte dieses Biers, wie Ihr lesen werdet ...

Martin Dietl und Martin Tanne von Dietl Bräu 2016 zeichnen verantwortlich für ein helles Lagerbier, das sie unter dem Namen "12,5" brauen und bislang primär in Ostbayern vertreiben. Auch in Regensburg findet sich zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels eine Adresse, sollte ich jemanden auf den Geschmack bringen. Dort kann man die Flaschen mit dem stilisierten "D" zu je 0,33L in 12er-Gebinden in rustikalen Holztragerln erwerben.

Martin Dietl und ich stolperten eher zufällig in Facebook übereinander und kamen via Chat ins Gespräch. Er sei ein künftiger Kandidat für eines meiner Praxisprojekte an der OTH Regensburg, schrieb ich ihm und Martin Dietl war für diese Idee sofort Feuer und Flamme.

Worum es sich dabei dreht ...? Meine StudentInnen erhalten eine Ausbildung zu grundlegenden Themen der Marktforschung, die konkret mit einer Problemstellung eines realexistierenden Unternehmens verbunden ist - je nach Unternehmen auch als Motivationskatalysator einen kleinen Umdrunk oder eine Produktverkostung - und das Unternehmen im Gegenzug Problemlösungsvorschläge, erarbeitet in Projektteams, von meinen StudentInnen. Eine Win-Win-Situation, sozusagen, die beiderseits gut ankommt.

Kaum eine Woche nach dem ersten Kontakt überreichte mir Martin Dietls Neffe Marco, der in Regensburg studiert, nach einer meiner Vorlesungen sechs Fläschchen seines Oheims edlen Gebräus, und die Geschichte nahm ihren Lauf ...

Wie kam es dazu, dass die beiden Martins ins Beer-Business einstiegen? 


Dazu Martin Dietl:
Dietl Bräu 2016, „bayrisch aber anders“. Am 25.09.2015 hatten wir (Martin Dietl und Martin Tanne) 25 Jähriges Abiturjubiliäum auf dem Bogenberg. Das Veit-Höser Gymnasium Bogen war unsere schulische Heimat. Zu später Stunde diskutierten wir über Ideen und zukünftige Pläne. Dabei entstand die Idee eine alte Biermarke im Landkreis Straubing Bogen wiederzubeleben. Dietl Bräu war bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine sehr bekannte Marke. Die Brauerei verschwand dann vom Markt. Gesagt getan. Ganz so einfach war es nicht. Viele Fragen mussten beantwortet werden. Welcher Bierstil: böhmisches Lagerbier unfiltriert, woher die Zutaten nehmen? Meine Philosophie für das 12,5 „der erste Schluck soll zum Zweiten verleiten“ Welche Zutaten, welches Malz, welcher Hopfen, welche Hefe ... Welche Etiketten, welches Gebinde, ein Gebinde, dass sich von den üblichen Flaschen in der Region abhebt. Kropfhalsflasche 0,33l Bügelverschluss. Kiste: Holzkiste ... Markensicherung ... Wie vermarkten wir das Bier? Welcher Name soll für das Bier verwendet werden? "12,5" (angelehnt an die böhmischen Biere) Immer das gleiche „bayrisch aber anders“. Genau nach dieser Philosophie wurde auch das zweite Bier kreeirt, das im Mai auf den Markt kommen soll. Weissbier: Name „Gottes Weiße“ Zu den Gründern: Ich habe im Zeitraum 1990-1996 in Weihenstephan Brauwesen studiert, nie ganz den Bezug zum Brauwesen verloren, allerdings auch sehr nahe an die IT angelehnt. Ich würde das Projekt Dietl Bräu 2016 als einen gelebten Traum bezeichnen. Martin Tanne führt ein erfolgreiches Kunststofftechnikunternehmen in dritter Generation Viele neue Ideen stehen vor Tür. Unter anderem das Projekt Klosterbrauerei Oberalteich. Gasthaus, Kleinbrauerei, Veranstaltungsort und wie immer „bayrisch aber anders“

Nun aber zum "12,5"-Bier von Dietl Bräu 2016 selbst ...


"Bier kann einfach sein und den Durst löschen. Aber auch komplex und ein Genussmittel für Feinschmecker. Es gibt Biere über die man spricht. Es gibt Biere die man einfach genießt."

So schreiben die beiden Martins auf der Homepage ihrer Brauerei - mal sehen, ob das Bier hält, was ihre Brauer versprechen ... Meine Verkostungsnotizen:

Helles Lagerbier "12,5" | Dietl Bräu 2016 | Hunderdorf | Niederbayern | 5,1% Alc. | 8 Grad Celsius Verkostungstemperatur

Im Glas (Gabriel Universalglas und Spiegelau Authentis Burgunderkelch): Dunkles Karamellbraun,  feinporige, stabile Blume.
In der Nase: Karamell, Malz, Hopfenblüte, Mandarine, geröstete Maroni, Schwarzbrotkruste
An Zunge & Gaumen: Im Antrunk enorm frisch und süffig, geprägt von Mandarine und grünen, angenehm bitteren Noten von Hopfen und Buchsbaum. Im Abgang schöne Länge mit Anklängen von unreifer Banane, Karamell, Muskatnuss und gebrannten Mandeln.

Schade, dass nur ein Drittelliter in der Flasche ist, so mein erster Gedanke. Martin Dietls Tipp, sein Bier aus einem wuchtigen Rotweinglas zu genießen, erweist sich als goldrichtig. Sein "12,5" ist ein Bier mit Charakter, eigenständig und facettenreich und trotzdem ungemein süffig.

Speisenbegleitung: Seine herb-malzige Frische prädestiniert dieses Bier meines Erachtens beispielsweise zum Begleiter zu Schweinsbraten in Kümmelsoße aus dem Backofen, einer Schweinshaxn mit röscher Kruste oder einem original niederbayerischen Kartoffelbratl. Doch auch zu einer Brotzeit mit Laugenbrezn, Griebenschmalz und einem Obatzdn kann ich mir dieses Bier sehr gut vorstellen. Wer mutig ist, begleite damit eine Forelle Müllerin oder im tiefen Fett gebackenen Karpfen. Probieren geht über studieren!


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