Die Verleihung des Ehrentitels an seine Freundin habe keineswegs an seinem Ego gekratzt, sagt Steffen, eher habe es sein Selbstwertgefühl gestärkt, denn schließlich habe seine Maggie viel von ihm gelernt.
Trotzdem wirft er nun ein Jahr nach ihrem Erfolg den Hut in den Ring und bewirbt sich seinerseits mit zwei ziemlich unterschiedlich konzipierten Müller-Thurgau-Weinen um die Aufnahme in die Walhalla der Müller-Thurgau-Winzer ...
von Robert Bock
Obwohl der junge Iphofener aus einer Winzerfamilie stammt, fielen der Wein und er sich einander vergleichsweise spät in die Arme. Jetzt führt er das Weingut in dritter Generation und könne als Quereinsteiger aus Überzeugung sagen, dass der Winzerberuf der schönste Beruf der Welt sei.
Eigentlich ist er ein maschinenverrückter Techniker, dieser Steffen von der Tann. Und wären Mechaniker und Ingenieure nicht eine Spur verrückt, gelängen ihnen wohl kaum Geniestreiche. Verrücktheit gehöre für ihn zum Winzerberuf, sagt er, wie die Lust am Experimentieren.
Neues wagen, Risiken eingehen. So auch im Falle seiner Müller-Thurgau-Interpretationen. Der Müller sei für ihn ein Wein für alle Lebenslagen: Eine enorm vielseitige Rebsorte. Mit 50% Anteil an der Gesamtfläche zudem die Hauptrebsorte seines Betriebes am Fuße des legendären Schwanberges mit seinen Gipskeuperböden. 2,5 ha Rebfläche umfasst der Betrieb, somit darf ich sich zu den eher kleinen und feinen Weinbaubetrieben zählen.
Aufgrunddessen sind seine Weine eher rar und schon von dahwer etwas Besonderes, das man nicht in jedem Weinladen kaufen kann. Zu unseren Verkostungsnotizen ...
2016er Müller-Thurgau halbtrocken Kabinett "Sonnenschein" | Weingut von der Tann | Iphofen | Franken (Steigerwald)
1.Tag
Im Glas (Spiegelau Authentis Weißweinkelch): hellgelb, sichtbares Moussieren
Nase: Zurückhaltend, Zitrusfrüchte (Limette), Quitte, grüne Birne, unreife Banane
Zunge & Gaumen: Saftig, Zitrusfrüchte, Grapefruit, Quitte, unreife Maracuja
Enorm lebendig changiert der Wein im Takt von 3 Minuten von nahezu geruchslos bis bombastisch und wieder zurück: Jung, wild - der braucht noch Luft und Ruhe!
2. Tag
Im Glas (Gabriel): kein sichtbares Moussieren mehr, Farbe unverändert
Nase: Apfel
Zunge & Gaumen: Apfel, Quitte, frisch, moussierend
Am zweiten Tag präsentiert sich der "Sonnenschein" im Zeitraffer gereift, wirkt runder und ausgewogener, zudem stabiler im Glas als am ersten Tag. Wir empfehlen im aktuell noch jungen Zustand, sofern man unser auf zwei Tage verteiltes Verkosten nicht nachempfinden möchte, deswegen Karaffierung.
Die Deklaration als "halbtrocken" sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Steffen von der Tann sich an die in Franken traditionelle Definition eines trockenen Weines hält: Weniger als 4g Restzucker pro Liter. Das deutsche Weinrecht läßt bis zu 9g zu. Der halbtrockene Bereich verläuft weinrechtlich zwischen 9 und 18g Restzucker pro Liter.
Der subjektive Geschmackseindruck tendiert - auch dank der ausgeprägten Säure dieses Weines - klar in Richtung trocken, das Zuckerschwänzchen macht sich nur verhalten bemerkbar, was dem Wein aber durchaus zu Gesicht steht und die Frucht hervorkitzelt.
2016er Müller-Thurgau trocken Kabinett "OMG" | Iphöfer Kronsberg | Weingut von der Tann | Iphofen | Franken (Steigerwald)
12,0% Alc. | 7,50 EUR/0,75L
1. Tag
Im Glas (Gabriel): zartes Hellgelb
Nase: Holzig, rappig, zurückhaltende Frucht
Zunge & Gaumen: Saftig, animiert den Speichelfluß, gelber Apfel, Cidre, Quitte, rote Johannisbeeren | cremig, sahnig, breit
2. Tag
Im Glas (Spiegelau Authentis Weißweinkelch): unverändert
Nase: Deutlich mehr Frucht, weniger rappig und phenolisch, Apfel, Zitrusfrüchte
Zunge & Gaumen: Apfel, Grapefruit, deutlich expressivere Mineralität, vergleichsweise kurzer Abgang
Die offene Maischevergärung (OMG) schöpft einen völlig anders gelagerten Müller-Thurgau als den frisch-fruchtigen, halbtrockenen "Sonnenschein". "Nur die schönsten Beeren fanden ihren Weg in den Maischebottich", schreibt Steffen von der Tann auf seiner Website," und wurden dort ca. 14 Tage mit der Maische vergoren. Nach dem Pressen gärte der Wein im Edelstahltank durch und lagerte dann 3 Monate auf der Feinhefe."
Während der "Sonnenschein"-Müller die Fruchtaromen betont und recht geradlinig und präzise auf der Zunge moussiert, verhält sich der OMG weniger wild und frisch, sondern betont mit erdiger Cremigkeit das Terroir des Iphöfer Schwanberges. Erdig ist er, näher an klassisch-konservativen Frankenweinen, die die Region international bekannt und berühmt gemacht haben.
Fazit: Steffen von der Tann gelingt es mit diesen beiden stilistisch sehr unterschiedlichen 2016er Müller-Thurgau-Weinen, eine Bandbreite der Möglichkeiten aufzuzeigen, die heutzutage kaum jemand einer zur "Allerweltsweinlieferantin" degradierten Rebsorte wie dem Müller-Thurgau zutraut. Wir empfehlen beide Weine in geselliger Runde parallel zu verkosten, denn der eine, wie der andere liefert ausreichend Diskussionsstoff. Und gibt es schönere, mit jedem Schluck vergnüglichere Debatten, als jene rund ums Thema Wein ...?
Herzlichen Glückwunsch an Steffen von der Tann - er darf sich nun, wie seine Partnerin mit dem Ehrentitel eines "Müller-Thurgau-Maniac" schmücken. So wie ihr Titel ohne Steffens Zutun nicht möglich war, wäre auch der seine ohne Maggies Unterstützung mit Sicherheit schwer erreichbar gewesen. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine ehrgeizige Frau. Insofern ist nur gerecht, dass nun beide ihn, mit ein klein wenig Stolz, so hoffe ich, tragen.
P.S. Allen Freunden geschmackvoller zeitgenössischer Kunst empfehle ich einen Blick auf die Website von Maggies Druckwerkstatt.
Der OMG war heute mein Wein zur Miesmuschelsuppe. Auch für Müller-Thurgau gilt, dass etwas Reife Wein spannender macht, denn der oben beschriebene kurze Abgang ist einem schönen Nachhall gewichen.
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