Samstag, 13. Mai 2017

In der Weinstube zum Vogelherd in Kruckenberg

Das Wort "Weinstube" verströmt für mich subtile Erotik.

An warmen Tagen in lauschigem Schatten sitzen, gut temperierten hauseigenen Wein schlürfen und dazu eine deftige Mahlzeit ... So läßt sich's aushalten.

Man muss als Regensburger dazu nicht ungebdingt nach Mainfranken oder Österreich fahren, es geht auch um die Ecke: In vielen Orten entlang der Donau siedeln am Fuße der Hänge nördlich des Stromes, die früher das Kernland des Baierwein-Gebietes bildeten, Weinstuben mit eigenem und/oder zugekauftem heimischem und auswärtigem Wein. Winzer, Bach a.d. Donau und Kruckenberg, um die bedeutendsten zu nennen.

Die Weinstube zum Vogelherd in Kruckenberg habe ich in der Vergangenheit bereits zweimal besucht. An einem mit 24 Grad sehr warmen frühen Sonntag im April kehren meine charmante Begleiterin und ich nach sechs Kilometer Schlenderns entlang der Krone des Donaudammes hier ein, um uns für den Rückweg zu stärken ...
von Robert Bock

Wir erreichen Kruckenberg kurz vor der offiziellen Öffnungszeit der Weinstube. Die sehr freundlichen jungen Damen vom Service decken gerade die Tische und Bänke ein. Stofftischdecken, weiche Sitzpolster ... Helle Schirme spenden Schatten. Aprilsonne vermag winterbleicher Haut arg zuzusetzen.

Im Rücken des Hauses zieht sich der hauseigene Weinberg in steile Höhen. Müller-Thurgau wird hier ausgebaut. Auf den freuen wir uns.

Wir bestellen eine große Flasche Wasser gegen den Durst und zwei Viertel des hauseigenen Weins. Ob wir den 2015er oder den 2016er trinken möchten, fragt man uns und ich optiere aus Neugier auf den neuen Jahrgang für den jüngeren Wein. Ein Fehler ...?

Die Speisekarte ist umfangreich und was ihre ästhetische Gestaltung angeht, hat sich jemand ohne stilsicherheit aber mal so richtig ausgetobt. Das stört mich weniger, aber die schiere Zahl an Positionen. Kein gutes Zeichen. Warme Speisen, kalte Brotzeiten, Kuchen, Eisbecher, dies und das und jenes ...

Ich habe hier in der Weinstube zum Vogelherd vor zwei Jahren einen hinreissenden, hausgemachten Pfälzer Saumagen mit Bratkartoffeln und Sauerkraut genossen, der mir positiv in Erinnerung geblieben ist. Den finde ich zu meiner Freude auf der aktuellen Karte wieder. Meine charmante Begleiterin vertraut meiner Empfehlung und so bestellen wir zweimal diesen hausgemachten Pfälzer Saumagen.

Derweil wir auf das Essen warten und den perfekt gekühlten, recht säurebetonten Müller-Thurgau aus einem anachronistischen Römer kosten, der zuverlässig alle mutmaßlich im Wein enthaltenen feinen Aromen der Nase vorenthält, lese ich meiner Begleiterin aus der Speisekarte die amüsanten Anektdoten rund um die Geschichte des Baierweins vor.

Der Lärm von der nur 10 Meter entfernten Hauptstraße, die Regensburg mit Wörth verbindet, unterbricht mich geschätzt alle dreissig Sekunden. Motorradfahrer einzeln oder in Rudeln, Spätpubertierende mit getunten Auspuffendschalldämpfern an ihren untermotorisierten, dem Gott des Recyclings geweihten Mimikriautos. Nein, ausgesprochen ruhig sitzt man hier draußen sonntags nicht ...

Der Saumagen kommt! Zwei dicke, kreisrunde Scheiben, in der Pfanne kross herausgebraten, Röstkartoffeln mit reichlich Kümmel und ein ordentlicher Schlag Sauerkraut: Diese Portion macht jeden Wanderer zuverlässig satt, das steht fest.

Das Sauerkraut ist ausgezeichnet. Weder zu süß, noch zu sauer, Lorbeerblätter und ganze Wacholderbeeren verleihen ihm aromatische Würze.

Die Röstkartoffeln wurden in farblosem, geschmacksneutralem Pflanzenfett knusprig und gerade richtig gebraten. Die Qualität der Kartoffeln ist sehr gut, allerdings würde ein Stich Butter, wenn man schon kein Schweine- oder Butterschmalz verwendet, dem Geschmack förderlich sein, ebenso ein paar angebräunte Röstzwiebeln. Ferner steht fest, dass Koch oder Köchin am fraglichen Tage nicht verliebt waren: Wir salzen beide die Röstkartoffeln nach.

Ich beäuge meinen Pfälzer Saumagen mit Skepsis: den habe ich optisch in anderer Erinnerung. Eher einem weißen, fränkischen Pressack ähnlich, mit kleinen Kartoffelanteilen und in einem richtigen Saumagen gegart. Der hier mutet mir an wie ein überdimensionierter Serviettenknödel aus Kartoffeln und gekochtem Schinken; alternativ wie ein überdimensionierter Kartoffel-Schinken-Puffer.

Ich koste: Der verwendete gekochte Schinken ist reich an Nitritpökelsalz, zudem das Gesamtgemenge zusätzlich wohlmeinend gesalzen. Zu salzig schmeckt mir dieser Saumagen, und dass man gepökelte Fleischware keinen hohen Temperaturen auf einem Grill oder in der Pfanne aussetzen sollte, weil sich krebserregende Nitrosamine bilden können, scheint der Küche leider unbekannt. Attacken auf die Gesundheit des Gastes sollten im Preis nirgendwo inbegriffen sein. Gepökelte Fleischwaren vertragen keine hohe Hitze. Grundkurs Kochen ...

Ich bin schwer enttäuscht. Hätte der hausgemachte Pfälzer Saumagen vor zwei Jahren an gleicher Stelle so geschmeckt, ich hätte mich seiner nie und nimmer mit Wohlwollen erinnert. Meine Begleiterin teilt mein Urteil, verzeiht mir aber meine fehlgegangene Speiseempfehlung.

Ich könne ja nichts dafür, wenn die Küche ihre Rezeptur grundlegend verändere, sagt sie. Damit hat sie zwar recht, aber dadurch wird dieser sogenannte "hausgemachte Pfälzer Saumagen" leider nicht besser, der sich als "in der Celophanfolie, umwickelt mit Alufolie und in heißem Wasser gargezogener Kartoffel-Schinken-Pampf, gebräunt in der Bratpfanne" entpuppt hat.

Ein Haferl Kaffee noch und einen Espresso (gut und mit 1,80 EUR fair bepreist) und wir marschieren im strahlenden Sonnenschein heimwärts.

Nächstes Mal nicht hierher, nächstes Mal zu einem der anderen Betriebe. Den Eibl am Sauberg in Bach und den Bacherer Landgasthof kennen wir bereits, aber die Auswahl ist ja groß.

Vielleicht schenkt man anderswo auch einen schöneren Müller-Thurgau vom Hausberg aus ...? Ja, die  Hoffnung ... Mit der ist das so eine Sache: Friedrich Nietzsche fällt mir in den Sinn. Er war der Meinung, die Hoffnung sei die schlimmste aller Plagen aus der Büchse der Pandora, weil sie des Menschen Leiden unnötig verlängere ...

Der 2016er M-Th in der Weinstube zum Vogelherd war uns beiden zu säurelastig, zu grobschlächtig, zu derb. Ein Vertreter der belanglosen Art, die Weinen aus dieser Rebsorte, die zu ungemeiner Feinheit, Frische, Kraft und Fülle gelangen können, Reputation zerstört haben. Zudem in diesen furchbaren Römern genussvereitelnd kredenzt. Vielleicht hätten wir doch den 2015er probieren sollen?, sinniere ich. Der Sommer damals war groß, die Öchlsegrade im Most mutmaßlich höher, als im darauf folgenden Jahr ...

So qualitativ hochwertig, wie der Müller-Thurgau, den das Ehepaar Merkl in Oberwinzer produziert (Verkauf nur ab Hof), wird aber vermutlich kaum einer der hauseigenen Weinstuben-Weine an den Hängen der Donau sein. Man produziert aus ökonomisch nachvollziehbaren Gründen wohl lieber auf Masse statt auf Klasse, damit der Vorrat für die Wirtschaft über die komplette Saison hinreicht. Dem Genuss ist diese Qualitätsphilosophie leider Feind.

Wir kritisieren stets konstruktiv und raten als erste Maßnahme die Speisekarte einer drastischen Verschlankung zu unterziehen und dafür mehr Liebe in eine reduzierte Anzahl von Positionen zu stecken.
Unabdingbar: Anständige, moderne Weingläser! Diese Römer sind eine Unverschämtheit dem eigenen Wein und dem Gast gegenüber. Ab in den Altglascontainer, ins Gebrauchtwarenhaus oder der Wirtin des Korea-Wirts angeboten - die verweigert sich nämlich strikt der Idee, ihren Gästen Genuss beim Weinkonsum zu gönnen und mustert ihre grintigen Römerhumpen nach wie vor nicht aus ...
Ferner regen wir an gepökeltes Fleisch keiner großen Hitze auszusetzen. Es bilden sich Nitrosamine, die nachweislich krebserregend sind. Als Gastronom trägt man meines Erachtens Verantwortung fürs Wohlbefinden seiner Gäste auch über den kurzfristigen Aufenthalt hinaus.

1 Kommentar:

  1. Das ist sehr schade. Schon immer wollte ich im malerischen Regensburg etwas von diesem Saumagen kosten.

    Dann halt nicht.

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